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Hayek Colloquium in Obergurgl

Deutsche Seiten, 13. 9. 2012

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich bin sehr froh, dass ich wieder einmal die Gelegenheit habe, hier in Obergurgl sein zu dürfen. Ich möchte mich für Ihre Einladung bedanken. Ich habe hier schon einmal an einem Symposium teilgenommen, das – wie das heutige – Hayek, und besonders seinem Buch „Die Verfassung der Freiheit“ gewidmet wurde. An Hayek–Gedenkstein wurde damals sogar eine Plakette befestigt.

Meine Generation, die in unserem Land einen großen Teil ihres Lebens im Kommunismus verbrachte, hat Hayek schon in den sechziger Jahren entdeckt. Es war damals die Zeit einer relativen Lockerung der gesellschaftlichen Atmosphäre, die bei uns zuerst zu hoffnungsvollen Wirtschaftsreformen und anschließend zu den dramatischen politischen Veränderungen des Jahres 1968 geführt hat. Schon damals war Hayek meine Inspiration und als Beitrag zu den damaligen, relativ freien und weitgehenden Debatten habe ich die fundamentale, und für die Ökonomen entscheidende Kontroverse über die Realisierbarkeit von Sozialismus, die in den dreißiger Jahren zwischen „Österreichern“ Mises und Hayek und „Sozialisten“ Lange und Lerner erfolgte, in die tschechische Sprache übersetzt. In dieser Zeit haben wir auch sein weltbekanntes Buch „Der Weg zur Knechtschaft“[1] studiert, das in verschiedenen nicht-offiziellen Ausgaben in der Tschechoslowakei damals veröffentlicht wurde. Es war für uns „das Buch“ unserer Zeit.

Friedrich von Hayek habe ich nur einmal in meinem Leben gesehen und dazu noch unter fast absurden Umständen - im August 1968, im Moment der Einmarschierung der Warschauer Pakt Truppen in die angeblich kontrarevolutionäre Tschechoslowakei. Als junger Akademiker habe ich damals an dem bekannten, noch heute existierenden Forum in Alpbach teilgenommen. Zwei Tage nach dem 21. August hat dort Hayek eine Rede gehalten. Ich bin ins Auditorium gekommen, habe ihn gesehen, aber war nicht imstande dem Sinn seiner Wörter zu folgen. In diesen Stunden und Tagen dominierten in meinem Kopf andere Gedanken, als die Details seiner theoretischen Überlegungen über die „Verfassung der Freiheit“.  Der Verlust der Freiheit in meiner Heimat war für mich viel wichtiger als die komplizierte Theorie der legislativen Vorbedingungen der Freiheit, obwohl es klar ist, dass diese zwei Themen vieles gemeinsam haben.

Nach dieser Episode haben wir weitere 20 Jahre in einer Gesellschaftsordnung verbracht, die sehr weit von den hayekischen Ideen entfernt war. Am Ende dieser Etappe, ein Tag vor der Studentendemonstration in Prag im November 1989, die unsere Samtrevolution startete, war ich an der Johannes Kepler Universität in Linz. Wieder in Österreich. Während der Nachmittagsdebatte mit den dortigen Professoren der Volkswirtschaftslehre habe ich auch nach Hayek gefragt. Die Antwort war für mich mehr als enttäuschend: „In Österreich ist Hayek tot.“ Am Abend, und das war wirklich 24 Stunden vor der Prager Studentendemonstration, an der auch mein Sohn teilgenommen hat, habe ich in einer Podiumsdebatte mit Studenten der Universität souverän gesagt: „Wenn Hayek in Österreich tot ist, werden wir ihn in Prag wiederbeleben.“ Selbstverständlich wusste ich nicht, was am nächsten Tag passieren wird und wie bald meine Prophezeiung zur Verwirklichung kommt.

Die radikale Transformation unserer Gesellschaft und Wirtschaft in den folgenden Jahren war „hayekisch“ (oder vielleicht sagt man hayekian?). Mit Hilfe seiner Ideen haben wir verstanden, dass nicht nur das normale Funktionieren der Gesellschaft und Wirtschaft, sondern auch die Transformation solcher komplexen Systeme von oben nicht organisierbar ist. Schon in dieser Zeit habe ich argumentiert, dass die gesellschaftliche Transformation eine komplizierte Mischung von Spontanität und Konstruktivismus ist und sein muss, und dass diese Phase der Entwicklung mehr die Gesetze der hayekischen Evolution als die Träume verschiedener Konstruktivisten folgen muss. Die Basis dieses Prozesses war bei uns die Befreiung der Märkte, die Liberalisierung, Deregulierung, Desubsidierung und Entstaatlichung der Wirtschaft. Das war Hayek, in seiner reinen Form.

Wir haben aber nicht nur Hayek, sondern auch Walter Eucken und andere Ordoliberalen studiert. Wir wussten, dass auch die institutionelle Seite der Transformation notwendig ist. Wir haben parallel zur Deregulierung so schnell wie möglich auch die Regeln und Institutionen der Marktwirtschaft eingeführt.

Die damalige, aber auch noch heute sehr politisierte Debatte, ob die Institutionen ex ante oder ex post eingeführt werden müssen, war und ist für mich eine scholastische Debatte in der Kategorie: Was war zuerst da? Huhn oder Ei? In einer Diktatur könnte man so etwas von oben dirigieren. In der Realität der freien und pluralistischen Gesellschaft müssen Hühner und Eier gleichzeitig entstehen. Man kann nicht die „empty boxes“ (leere Kasten) der Institutionen im Voraus konstruieren.

Hayek ist relevant auch zum Thema der von ein paar Jahren geschehenen Krise, in mindestens zwei Aspekten. Auf einer Seite haben wir die hayekische Theorie der Wirtschaftszyklen, auf der anderen die hayekischen Überlegungen über die Beziehungen Staat-Markt.

In seinen früheren, strikt ökonomischen Werken, insbesondere in seiner Geldtheorie und Konjunkturtheorie (1929)[2] und in Preise und Produktion (1931)[3], die namentlich zitiert waren, als ihm im Jahr 1974 der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften verliehen wurde, hat Hayek eine wichtige These akzentuiert: Die Ursache des Wirtschaftszyklus ist falsche Geld- und Kreditpolitik, die so genannte „easy money“ Politik. Die künstliche Senkung des Zinssatzes generiert einen Investitionsboom und die Abschaffung seiner Nachfolgen braucht eine schmerzhafte Restrukturalisierung der ganzen Wirtschaft. Die Manipulierung der Fiskalpolitik kann die notwendige Restrukturalisierung nicht ersetzen.

Das sind die Ideen, die gegen die heutigen Maßnahmen der Fiskalpolitik, die in vielen Ländern eingeführt wurden, warnen sollten. Noch gefährlicher ist, dass die gegenwärtigen Versuche viel größer sind, als diejenige, die die Regierungen in der Vergangenheit gemacht haben. Die Politik des billigen Geldes wurde von Hayek als „Pseudomedizin“ bezeichnet. Im Grunde des damaligen und auch heutigen Problems sind falsche Relativpreise, nicht die Absenz der Gesamtnachfrage. Die Weltwirtschaftskrise von 2008-2009 ist am meisten die Folge des politischen Spielens mit den Zinssätzen. Nicht einmal sogar von geschworenen Keynesianern wurde die Absenz der Gesamtnachfrage als Ursache der letzten Krise erwähnt. Sie wurde nicht durch Geldmangel, sondern durch zu viel Geld hervorgerufen. Der Wirtschaftszyklus wurde durch mikroökonomische Folgen der falschen Kredit- und Geldpolitik in Gang gesetzt.

Gesellschaftliche Turbulenzen haben ungeplante Nebeneffekte. Sie führen immer zu einer radikalen Verschiebung an der Achse Staat–Markt. Es ist evident, dass gerade das auch jetzt droht, bzw. dass es schon eingetroffen ist. Und hier muss wieder Hayek zur Hilfe kommen, der uns vor 68 Jahren in seinem populären Buch Der Weg zur Knechtschaft, aber auch in einer Reihe von Fachaufsätzen, insbesondere im  The Use of Knowledge in Society (1945)[4], ganz klar gesagt hat, wohin der richtige Weg führt. Dieser Weg ist Freiheit, Markt und spontane Evolution. Keine Rekordverschuldung der Länder, wöchentliche Wochenende-Gipfeltreffen der führenden Politiker, global governance und mehr Regulation. Sondern umgekehrt.

Das wäre aber schon eine Vorlesung über Hayek und das ist nicht mein heutiges Ziel.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Václav Klaus, Die Rede am Hayek Colloquium 12, Obergurgl, Österreich, 13. September 2012



[1] Hayek, F., A., The Road to Serfdom,University of Chicago Press, Chicago, 1944.

[2] F. A. Hayek, Holder-Pichler-Tempsky, Wien, 1929.

[3] F. A. Hayek, Julius Springer, Wien, 1931.

[4] F. A. Hayek, American Economic Review, XXXV, No. 4; September, 1945, pp. 519-30.

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