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25 Jahre nach dem Fall des Kommunismus: die damals schnell wiedergewonnene Freiheit, die gerade jetzt unter neue Attacken gelangt

Deutsche Seiten, 31. 10. 2014

In der Zeit unmittelbar nach dem Fall des Kommunismus sprachen wir hauptsächlich über das einzigartige und unwiederholbare Ereignis, auf das wir Jahre gar jahrzehntelang gewartet hatten. Heute ist es nun relevanter geworden, die gesamte postkommunistische Ära zu erörtern.

Es sollte erwähnt werden, dass der Kommunismus, eines der irrationalsten, erdrückendsten, grausamsten und ineffizientesten Systeme in der Geschichte, rasch und relativ ruhig beendet wurde. Das Regime brach in den meisten mittel- und osteuropäischen Ländern parallel zusammen und mit gewisser Verzögerung auch in der Sowjetunion. Überraschenderweise trotz erheblicher Unterschiede unter den Ländern des ehemaligen Sowjetblocks. Diese Tatsache belegt, dass die Gemeinsamkeiten stärker waren, auch wenn jedes Land von sich überzeugt war, dass es andersartig als die anderen sei.

Der radikale und weitreichende Durchbruch, der sich in ein paar Wochen im Herbst 1989 verwirklichte, brachte uns viele positive Verbesserungen, von denen wir während der langen Jahrzehnte unserer Unterdrückung und der fehlenden Freiheit nur geträumt hatten. Niemand kann dies leugnen, auch nicht die einheimischen feindseligsten und unfreundlichsten Kritiker des postkommunistischen Transformationsprozesses. Die überwältigende Mehrheit der Bürger unserer Länder würde bestätigen, dass sie über den Fall des Kommunismus glücklich waren und weiterhin sind.

Wir waren glücklich, voller Freude und Hoffnung, fasziniert von uns selbst, gepriesen von vielen Freunden und Unterstützern vom Rest der Welt. Wir genossen sowohl deren Würdigung als auch unsere schnelle Akzeptanz in der Gemeinschaft der freien Länder.

Zur gleichen Zeit erkannten wir jedoch, dass uns die Welt nicht hinreichend verstand. Meine Erfahrung sagt mir, dass das Mass und die Tiefe des Mangels an Freiheit, Mass und Tiefe der Irrationalität des alten Systems, das Mass und Tiefe der Unterdrückung, die wir in der kommunistischen Ära durchgemacht hatten, stark unterschätzt wurden. Ganz im Gegenteil – das Maß unseres Verständnisses der freien Welt, deren Bestandteil wir lange Zeit nicht gewesen sind, erwies sich als höher, als die meisten Menschen im Westen erwartet hatten. Trotz der jahrelangen kommunistischen Propaganda und Indoktrination wussten wir mehr über den kapitalistischen Westen als die nicht-kommunistische Welt über uns. Ich befürchte, dass diese Asymmetrie noch jetzt, nach 25 Jahren, überdauert.

Eine der Folgen des raschen Verschwindens des Kommunismus besteht darin, dass wir – sogar in akademischen Kreisen – zu früh und vorzeitig aufgehört hatten, den Kommunismus zu diskutieren und zu analysieren, vor allem seine späteren Phasen, seine allmähliche Schwächung, seine Leerwerdung und Milderung, sowie seine vollständige Resignation, sich zu verteidigen. Die einzigen Bücher und Studien, die auch weiterhin veröffentlicht werden, befassen sich mit dem Kommunismus der früheren, weitaus hässlicheren Perioden, mit der "Gulag"-Ära (in der Sowjetunion) oder den 1950-er Jahren in anderen kommunistischen Ländern, als Menschen nicht nur inhaftiert oder von der Arbeit entlassen wurden, sondern getötet.

All die Grausamkeiten und Gräueltaten der kommunistischen Ära immer wieder ins Gedächtnis der gegenwärtigen und den künftigen Generationen zu rufen, ist zweifellos wichtig. Wenn wir aber die milderen Stadien des Kommunismus nicht richtig begreifen, wird es nicht nur schwierig sein, das rasche und unblutige Ende des Kommunismus zu verstehen aber auch alle Schwierigkeiten des postkommunistischen Transformationsprozesses zu verstehen. Ohne dieses Verständnis wären wir nicht in der Lage die gegenwärtige Zeit scharf zu betrachten – und zwar sowohl die Entwicklung in den postkommunistischen Ländern, als auch in der ganzen westlichen Welt.

Eine seriöse Analyse würde zeigen, dass der Kommunismus  geschmolzen ist und nicht besiegt wurde! Es gibt Menschen, die diese Auslegung der Ereignisse nicht mögen, da sie behaupten, den Kommunismus selbst besiegt zu haben, was jedoch nicht der Wahrheit entspricht.

Ich möchte niemandem seine Verdienste schmälern, aber der Kommunismus im Jahr 1989 bedurfte nur eines Tropfens, um das Fass zum Überlaufen zu bringen. Die anschließende Kettenreaktion von Millionen von Menschen kam dann spontan in Gang. Einer der Gründe dafür bestand darin, dass das kommunistische Regime in vielerlei Hinsicht nur noch eine leere Hülle war. In der Endphase des Kommunismus glaubte praktisch niemand mehr an die ursprünglichen Säulen seiner Ideologie, an den Marxismus und die kommunistische Doktrin.

Es sollte nicht geleugnet werden, dass jeder vor allem im Westen erwartet hatte, dass das Ende des Kommunismus Schock, Chaos, Unordnung, wenn nicht sogar einen Bürgerkrieg heraufbeschwören würde. Wie wir wissen, trat dies nicht ein. Auch in der Sowjetunion, wo der Kommunismus tragisch lange sieben Jahrzehnte andauerte, scheiterte er mehr oder minder ebenfalls in aller Ruhe. Alle von uns, die das Ende der 60-er Jahre verfasste Buch von Andrej Amalrik "Überlebt die Sowjetunion das Jahr 1984?" kennen, rechneten mit weitaus dramatischeren Ereignissen. Der kurze Vorfall vor der russischen Version des Weißen Hauses in der Innenstadt von Moskau im August 1991 war nicht dramatisch, verglichen mit dem Ende anderer großen Imperien der Geschichte. Dieses relativ ruhige Ende zeigte die Schwäche und Wehrlosigkeit des Kommunismus zur damaligen Zeit. Diese Aussage von mir steht nicht im Widerspruch zur unbestreitbarer Militärsmacht der Sowjetunion. Die anderen Faktoren erwiesen sich als wichtiger. Software war – wie immer – wichtiger als Hardware.

Dennoch, mein Interesse besteht darin, die letzten 25 Jahre und nicht nur die Ereignisse vom November 1989 zu erörtern. Wir sollten daran interessiert sein, was der November 1989 ermöglichte und was wir daraus gemacht haben. Lassen Sie mich kurz auf die Entwicklungen in meinem Land und in unserem Teil der Welt eingehen. Ich werde auch ein paar Worte über die westlichen Länder hinzufügen, die den Luxus hatten, nicht in die kommunistische Falle getappt zu sein.

Trotz all meiner Kritik an verschiedenen Details der Entwicklung in meinem Land – die ich sowohl als Bürger als auch Politiker erlebt habe, der über all die Jahre kontinuierlich führende politische Positionen hatte – muss ich feststellen, dass der postkommunistische Übergang (oder vielleicht besser die Transformation) ein Erfolg war. Die Kritik an bestimmten Teilaspekten ist zweifellos gerechtfertigt und mehr als willkommen, aber dessen wichtigste positive Tendenz steht außer Frage.

In meinem Land ist es uns relativ schnell gelungen, die elementare institutionelle Struktur einer standardmäßigen, vollwertigen parlamentarischen Demokratie zu etablieren. Die politischen Parteien waren sehr früh ideologisch klar definiert. Wir mussten unser politisches System nicht auf ad-hoc-politischen Gruppierungen oder Bewegungen aufbauen, die nur für oder gegen etwas oder jemanden standen. Dies war eine wichtige Errungenschaft, die diese sehr erfolgreiche Entwicklung in der Anfangsphase möglich machte. Die Erfahrung lehrt uns, dass es nicht notwendig war, ein politisches System zu konstruieren – es reichte aus, in der volkswirtschaftlichen Terminologie, den Eintritt auf den politischen Markt zu öffnen. Das reichte völlig aus.

Diese günstige politische Struktur, die natürlich alle Arten der üblichen politischen Auseinandersetzungen und Kabinettsumbildungen mit sich brachte, dauerte bis zum Ende des letzten Jahrzehnts an, bis zum Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise (die in unserem Fall komplett importiert wurde). Von da an begann eine andere, ich würde sagen, Wende der politischen Tendenzen. Diese führte nicht nur zum üblichen Rollenwechsel der Parteien auf der rechten und linken Seite des politischen Spektrums, sondern stellte auch den Beginn einer Rückkehr von der Standardpolitik in Richtung postpolitische, postdemokratische Vereinbarungen dar und von den authentischen politischen Parteien in ad-hoc-politische Projekte, die mehr auf Marketing als auf Ideologie oder Partei-Mitgliedschaft beruhen. Ich glaube nicht, dass ich damit nur die tschechische Realität beschreibe. Ich fürchte, dies ist ein allgemeiner Trend.

Dies war nicht allein eine Folge der Wirtschaftskrise. Die Krise beschleunigte dies nur. Es war die Folge einer immer expansiveren Schwächung, wenn nicht gar Liquidation der Nationalstaaten in der EU und der Stärkung der „global governance“. Es war das Ergebnis des allmählichen Ersatzes der traditionellen europäischen und westlichen Werte durch politisch korrekte Normen auf der Grundlage von neuen „ismen“ wie Humanrightismus, Multikulturalismus, Kulturrelativismus, NGO-ismus, Feminismus und Genderismus, Homosexualismus, Enviromentalismus usw. Die klassische politische Demokratie ist, fürchte ich, vorbei.

Im wirtschaftlichen Bereich organisierten wir einen raschen Systemwechsel. Wir verkündeten sehr früh und ausdrücklich, dass wir den Kapitalismus wollen. Wir wehrten uns gegen alle Träume über jedwede Art eines "dritten Weges" oder über eine mögliche oder wünschenswerte Konvergenz der bestehenden wirtschaftlichen und politischen Systeme.

Wir wussten, dass wir sehr pragmatisch sein mussten. Wir wussten, dass die wirtschaftliche Umgestaltung keine Übung in angewandter Wirtschaftswissenschaft sein wird und dass alle Theorien der "optimalen Abfolge der Reformmaßnahmen", so beliebt diese bei den Wirtschaftstheoretikern vor dem Fall des Kommunismus auch gewesen seien, irrelevant waren. Der Transformationsprozess war unvermeidlich eine Ad-hoc-Mischung aus Konstruktivismus und spontaner Evolution.

Wir wollten hauptsächlich eine Nicht-Transformation vermeiden. Wir wollten denjenigen auf Gewinn spekulierenden Gruppen, die den Status quo erhalten und/oder den gesamten Transformationsprozess zugunsten ihrer eigenen Interessen an sich reißen wollten, keine Chance geben. Dies beeinflusste unsere Position gegenüber allen Versionen des Gradualismus, die wir als Nicht-Reform betrachteten. Wir glaubten nicht, dass der Gradualismus eine umsetzbare Reformstrategie (in einer politisch freien Gesellschaft) ist und wiesen gleichfalls den Begriff der "Schocktherapie" sowohl als nützliches Reformkonzept als auch Beschreibung der Realität in unserem Land und anderswo zurück. Wir lehnten es ab, das Dilemma von "Schocktherapie vs. Gradualismus" zu akzeptieren, die sogar heute in der Wirtschaftsliteratur als sinnvolle und konkurrierende Alternativen diskutiert werden. Der Begriff "Schocktherapie" ist kein analytischer Begriff. Es ist ein politischer Angriff der von Sozialisten, wie Joseph Stiglitz verwendet wird.

Wir wussten, dass das Transformationsprojekt unser eigenes sein sollte, es musste auf unseren Ideen und unserer Realität gegründet werden. Wir hielten uns nicht für Vertreter internationaler Institutionen und wir verspürten keinen Grund, ihnen gefällig zu sein. Wir haben versucht, unseren eigenen "tschechischen Weg" zu finden und den Menschen die Chance zu geben, Teilnehmer des Spiels zu werden und nicht nur als passive Beobachter zu fungieren.

Wir erachteten die wirtschaftlichen und politischen Reformen als miteinander verbunden und unteilbar. Deren Trennung à la China war in Mittel- und Osteuropa unmöglich. Das unrealistische Konzept des Gradualismus basierte (und basiert) auf dem Glauben an die Möglichkeit einer detaillierten Steuerung der Reformen. Das wäre jedoch nur mit der Absenz der politischen Freiheit möglich gewesen, was bei uns nicht der Fall war.

Der entscheidende Teil des Transformationsprozesses war die massive, umfassende Privatisierung. Sie basierte in unserem Fall auf mehreren Ideen, die es Wert sind erwähnt zu werden:

- unser Ziel war es alle bestehenden staatseigenen Unternehmen zu privatisieren, nicht nur Entstehung neuer Firmen auf der "grünen Wiese" zu ermöglichen;

- die schnelle Privatisierung fanden wir als den besten Beitrag zu der notwendigen Umstrukturierung der ineffizienten staatseigenen Unternehmen (wir glaubten nicht an die Fähigkeit des Staates die Umstrukturierung der Unternehmen vor der Privatisierung zu verwirklichen);

- die Privatisierung der Wirtschaftsunternehmen konnte nicht auf die Vollendung der Privatisierung der Banken warten (dies musste parallel erfolgen);

- aufgrund des fehlenden Inlandskapitals (in der kommunistischen Ära gab es keines) und wegen der sehr begrenzten Anzahl an seriösen, potentiellen ausländischen Investoren mussten die Unternehmen zu einem niedrigen Preis privatisiert werden. Diese Idee führte uns zum Konzept der "Kupon-Privatisierung", die in unserem Land eine wichtige, aber nicht dominierende Rolle spielte, was sehr oft missverstanden wird. Nur ein Viertel der tschechischen Privatisierung wurde durch die Kupon-Privatisierung umgesetzt.

Von allen kommunistischen Staaten hatten wir den kleinsten Privatsektor, was sowohl auf die Aggressivität der kommunistischen Machtübernahme im Februar 1948 als auch auf den Mangel an reformistischen wirtschaftlichen Veränderungen nach den Ereignissen von 1968 zurückzuführen ist. Von Anfang an wussten die tschechischen Reformer, dass sie die Wirtschaft, die sie geerbt hatten, so früh und so schnell wie möglich privatisieren müssen. Wir wollten unsere zu privatisierenden Firmen nicht in einem unvermeidbaren „Prä-Privatisierungs-Limbus" lassen, in dem sie schnell ihren Wert verloren hätten. Aus diesem Grund hatten wir kein großes Interesse an der Maximierung der Privatisierungserlöse. Die hohe Geschwindigkeit der Privatisierung (nicht deren Erlöse) wurde als Vorteil, nicht als Fehler gesehen.

Wir haben die Wirtschaft ziemlich radikal und schnell liberalisiert, dereguliert und desubventioniert. Diese Liberalisierungstendenz dauerte, zu unserem großen Bedauern, nur einen Teil der letzten 25 Jahre. Teilweise wegen des Verlustes unserer Reformdynamik aus innenpolitischen Gründen, aber insbesondere aufgrund unserer Annäherung an die EU und ab unserem EU-Beitritts kam der entgegengesetzte Prozess in Gang. Auf der Grundlage dessen ist unsere Wirtschaft regulierter und subventionierter (und harmonisierter und standardisierter) als vor 10-15 Jahren. Der endgültige Schlag kam mit der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise und mit den Methoden ihrer "medizinischen Behandlung“, welche auf dem sehr umfangreichen staatlichen Interventionismus basiert.

Jedenfalls ist unsere Wirtschaft – und nicht nur unsere – regulierter und subventionierter, als wir es uns zu Zeiten des Falls des Kommunismus vorstellen konnten. Wir glaubten nicht, dass es jemals  wieder so weit kommen könnte. Es schien uns, dass die Reglementierung der Wirtschaft durch die kommunistische Erfahrung derart diskreditiert war, dass es sich nicht wiederholen könne. Wir haben uns geirrt.

Wir sind auch davon ausgegangen, dass jeder akzeptiert, dass Staatsversagen zwangsläufig weitaus größer ist als jedes vorstellbare Marktversagen, dass die sichtbare Hand des Staates viel gefährlicher ist als die unsichtbare Hand des Marktes, dass die vertikalen Beziehungen in der Gesellschaft weniger produktiv (und weniger demokratisch) sein müssen als die horizontalen Beziehungen usw. Doch auch hier haben wir uns geirrt.

Ich hatte erwartet, in einer weitaus freieren und demokratischeren Gesellschaft und Wirtschaft zu leben als in derjenigen, die ich um mich herum sehe. Dies wurde teilweise durch den Sieg der Sozialdemokratismus in unserem eigenen Land verursacht, teilweise durch den Import des europäischen Wirtschaftssystems – durch seine Überregulierung, seine hohe Steuern und Umverteilung, seine soziale Wohlfahrtsphilosophie, seine Faszination von allerlei Antimarktargumenten. Wir mögen aufgrund unserer langwierigen kommunistischen Erfahrungen in dieser Hinsicht überempfindlich sein. Wir sehen aber zur Zeit viele ähnliche Phänomene, Tendenzen, Ambitionen und Auseinandersetzungen.

Dies alles zuzulassen würde bedeuten, dass wir aus der Geschichte, der kommunistischen Ära, nichts gelernt haben. Das würde bedeuten, dass unsere heutige Feier zum Fall des Kommunismus nicht gerechtfertigt ist. Er kommt wieder in einem anderen Gewand, unter anderen Fahnen und mit anderen Slogans. Damit sollten wir sehr schnell etwas machen.

Václav Klaus, Die deutsche Version der Rede an der Konferenz: „The Triumph of Individual Liberty“, Berlin, 31. Oktober 2014.

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