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Transformation in Ost-Europa und europäische Integration

Deutsche Seiten, 28. 8. 1998

Ich danke für die Einladung zu Ihrem Forum.

Wenn wir auf die acht Jahre zurückblicken, die seit dem Kollaps des Kommunismus verliefen (und wie ich immer wiederhole, der Kommunismus wurde nicht geschlagen, er erlitt einen Kollaps, weil er innerlich so schwach und so wenig anziehend war, daß er nicht weiter funktionieren konnte), glaube ich, wir können selbstbewußt sagen, daß dieses unikate Manöver - die Umwandlung des Kommunismus in eine freie Gesellschaft und in die Marktwirtschaft - gelang. Es bedeutet aber keinesfalls, daß schon gewonnen wurde. Die mittel und osteuropäische Länder leben heute in einer sehr zerbrechlichen und verletzbaren Gesellschaft, aber das Rubikon wurde auf jeden Fall überschritten, und es gibt keinen Weg zurück.

Trotzdem gibt es Fragen ob das alles ein Erfolg war oder nicht. Ich bin der Meinung, daß eine der Ursachen für diese Fragen falsche Erwartungen waren, und die zweite Ursache ein Irrtum in der Begreifung dessen, was eine fundamentale Systemänderung, und nicht eine Reform oder eine Perestrojka ist.

Einerseits schien manchen von uns, daß die Beseitigung der kommunistischen Erbschaft ganze Jahrzehnte dauern wird, anderseits vergißt man schnell, und manche glauben, die Jahrzehnte sind schon vorbei. Man muß sagen, weder das eine, noch das andere entspricht der Wahrheit. Es wird keine Jahrzehnte dauern, aber man darf nicht vergessen, daß dieser Prozeß erst vor neun Jahren begann, obwohl für manche von uns diese Jahre fast wie eine Ewigkeit scheinen.

Etwas anderes ist die Entstehung und Entwicklung eines gesellschaftlichen Systems. Es zeigt sich, daß die Liquidierung der Institutionen des alten Systems sehr schnell ist. Ziemlich sehr schnell sind auch die Liberalisierungs- und Deregulierungs-Prozesse, welche die Märkte öffnen, und welche auch den Menschen den Zutritt zu den verschiedensten ökonomischen (aber auch nichtökonomischen) Aktivitäten ermöglichen. Viel langsamer ist aber das Reifen der Märkte und der ökonomischen Subjekte, die da auftreten, viel langsamer bildet sich die instutionelle Infrastruktur der Marktwirtschaft und viel langsamer entsteht auch die notwendige Marktkultur und die elementaren Benehmenformeln, die damit verbunden sind.

Für mich war das keine Überraschung. Wir wußten, daß es den Widerspruch zwischen der Geschwindigkeit der Liberalisierungs- und Deregulierungsprozesse und der Langsamkeit der Schaffung der Institutionen und der Marktsubjekte gibt. (Als Politiker sagten wir das vielleicht nicht laut genug!)

Die Markwirtschaft ist - ähnlich wie die Rechtsordnung, Moral, die tschechische oder deutsche Sprache - ein kompliziertes System und ein solches System kann sich spontan entwickeln, kann aber nicht konstruiert werden, bzw. sein konstruktionsfähiger Bestandteil ist nur ein kleiner Teil des ganzen Systems. Komplizierte Systeme werden laut Mises und Hayek durch „menschliche Tätigkeit“ gebildet, sie entstehen also nicht als „menschliches Projekt“. Gerade das ist meiner Meinung nach vollkommen entscheidend für das Begreifen der Gesetzmäßigkeiten der Metamorphose des Kommunismus in die freie Gesellschaft und die Marktwirtschaft.

Die Strukturierung der notwendigen Schritte der Systemtransformation ist klar und relativ einfach:

• Liberalisierung ( der Preise, des Handels und der Kapitalbewegungen);
• Deregulierung (der Märkte);
• Massenprivatisierung (des staatlichen Eigentums);

zusammen mit:

• restriktiver makroökonomischer Politik (angesichts des geerbten Inflations- ungleichgewichts);
• dem Aufbau der Marktinfrastruktur.

Das wurde - mit einer ganzen Reihe an Unterschieden in den Details - in der fast ganzen postkommunistischen Welt begriffen, und in einem teils größeren, teils kleineren Ausmaß in den einzelnen Ländern auch realisiert.

Der Prozeß der Transformation hat bestimmte Gesetzmäßigkeiten und seine Etappierung, die wir erst jetzt kennenlernen. Ihre schematische Beschreibung könnte ungefähr folgend aussehen:

1. Nach der Einführung der ersten Transformationsschritte des Liberalisierungs- und Deregulierungscharakters (was ein bewußter und gewollter Schritt ist) und nach dem Verlust der geschützten Märkte der ehemaligen kommunistischen Welt (was eine nichtgewollte Folge des Sturzes des Kommunismus ist, schmerzlich vor allem für die export-orientierte Länder, wie es die Tschechische Republik war) kam es zu einem relativ tiefen Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität, der eine unentbehrliche Liquidierung der Aktivitäten bedeutet, wonach praktisch „über Nacht“ die Nachfrage verschwand. Der künstliche Versuch, diesen Prozess hinauszuschieben, führt nirgendwohin, sogar die umgekehrte These ist gültig - je schneller und kürzer dieser Prozess war, desto besser.

In unserem Land stellte dieser Prozess den Verlust von einem Drittel der industriellen Produktion dar, von einem Viertel der landwirtschaftlichen Produktion, von einem Fünftel des Brutto-Sozialprodukts und er dauerte zwei bis drei Jahre (es gibt aber Länder, wo er bis heute andauert). Parellel entstanden die neuen Aktivitäten, aber der reine Effekt war deutlich negativ.

2. Die Liberalisierungs- und Deregulierungsschritte beginnen relativ schnell zu wirken. Die Wirtschaft fängt an zu wachsen, es erhöhen sich die Reallöhne, steil wachsen die Investitionen, der am Anfang devalvierte Währungskurs macht den Export leichter, enorm schnell wächst die Tertial-Sphäre. Der relative Erfolg zieht das Auslandskapital an, welches das Gleichgewicht der Ersparnisse und der Investitionen sichert (die Heimersparnisse genügen natürlich nicht).

Es kommt zu einem bestimmten Paradox. Je erfolgreicher dies alles ist, desto mehr Kapital kommt aus dem Ausland, desto schneller wachsen die Investitionen, desto schneller ist das Wirtschaftswachstum, desto schneller wächst der Import (und überholt deutlich den Export), desto schneller wachsen auch die Kredite (was den einheimischen Banksektor und auch die Betriebe in der „realen“ Wirtschaft sehr verletzlich macht). In der Wirtschaft wächst die Spannung an. Es droht der Anstoß an einen Engpass (der in verschiedenen Ländern unterschiedlich sein kann, angesichts des unterschiedlichen Ausmaßes der Öffnung der Wirtschaft).

3. In einer kleinen geöffneten Wirtschaft (das ganz typische Beispiel war eben die Tschechische Republik, zwei Jahre vorher auf eine sehr ähnliche Weise Ungarn) konzentriert sich das Problem in die Handelsbilanz. Sobald sich „die Märkte“ entscheiden, daß das äußere Ungleichgewicht unerträglich ist, wachsen in dem Moment schnell die Destabilisierungsprozesse heran. Der Kapitalzustrom bleibt stehen, es kommt zum Abfluß des kurzfristigen Kapitals. Der Anschlag auf die Währung kommt. Die Zentralbank beginnt, die Wirtschaft zu bremsen (in unserem Fall handelte es sich um ein deutliches „overkill“), das Wirtschaftswachstum wird langsamer, die Investitionen stagnieren, das Staatsbudget gerät ins Ungleichgewicht, die Ausgabenstriche bremsen weiter die Nachfrage, die Währung devalviert, die politische und soziale Lage ist destabilisiert. Es entsteht ein Krisengefühl, obwohl zum Beispiel in unserem Fall das Brutto-Sozialprodukt, die Industrieproduktion und auch die Reallöhne nicht sinken (was sehr unterschiedlich im Vergleich mit anderen ähnlichen Fällen ist).

4. Als Folge bei all diesem kommt es zu der „erzwungenen“ Anpassung der wirtschaftlichen Parameter, und somit öffnet sich der Weg zu einer weiteren Runde dieser (oder ähnlichen) Geschichte. Man kann daran lernen, aber ausschließen kann man sie nicht ganz, und zwar aus zwei wichtigen Gründen:

• die komplizierte und nicht immer angenehme Anpassung der wirtschaftlichen Parameter läßt sich - in der realen Welt der geöffneten, hoch pluralistischen Gesellschaft, die dazu noch mit dem Gefühl des notwendigen „Nachholens“ der westlichen Welt (in dem Lebensniveau, in der Infrastruktur, in der Umwelt) lebt - nicht ex-ante, freiwillig machen; es ist eventuell nur im hypothetischen Fall mit Hilfe eines ausserordentlich starken politischen Mandats möglich, den die Politiker in dem revolutionären Moment nach dem Fall des Kommunismus hatten, der Ihnen aber in der „normalen“ Situation sieben bis acht Jahre danach nicht mehr zur Verfügung steht;

• die notwendige Öffnung der Wirtschaft bedeutet in der heutigen höchst globalisierten Welt, in einer kleinen Wirtschaft, die unreife Märkte und schwaches Bank- und Finanzsystem charakterisieren, eine riesige Verletzbarkeit. Joseph Stiglizt verglich es unlängst (Financial Times, den 25. März 1998) mit Problem eines kleinen Bootes (das nur Ruder hat, aber keinen Motor), das sich auf den Weg über den Ozean machte. Die Wellen sind manchmal so groß, daß man ihnen auch mit einem genialen Ruder nicht voll ausweichen kann. Und da müssen wir ganz klar sagen, daß solch eine Wirtschaft keine genialen Politiker und keine ideal funktionierende Marktwirtschaft hat.

5. Ich bin überzeugt, daß die „normale“ Entwicklung in unseren Ländern sich weiter fortsetzen wird. Es wird keine lineare Entwicklung sein, die steil nach oben zielt. So ist es in der menschlichen Gesellschaft selten. Die Entwicklung wird kurvenreich sein, wesentlich ist aber, daß ihre Tendenz als eine Gerade dargestellt wird, und daß ihre Direktive das Plus-Zeichen haben wird.

Die wichtige Entwicklung sehen wir auch in unserer Umgebung, in Europa. Europa, beziehungsweise die Europäische Union, nähert sich - in zwei Aspekten - zu einer weiteren ihrer Entwicklungsetappen. Es geht einerseits um die Einführung einer gemeinsamen Währung - das ist der wichtige Aspekt der Vertiefung der europäischen Integration, andererseits um die Öffnung Richtung Mittel- und Osteuropa - das ist der Aspekt der Verbreitung der europäischen Integration.

Die Verbreitung der Europäischen Union Richtung Osten halte ich für eine riesige und gleichzeitig einmalige Chance für Europa. Einerseits ist es zweifellos, daß sich einzelne Länder, die Mitglieder der EU werden möchten, in verschiedenen Phasen ihrer Bereitschaft zu solch einem Schritt befinden. Wenn ich für die Tschechische Republik spreche, sind wir uns der Tatsache bewußt, daß wir als künftiges EU-Mitglied wirkliche Partner und keine schwarzen Passagiere für die schon existierenden Mitgliedsstaaten sein werden, und wir wissen auch, daß wir uns auf diese Rolle gut vorbereiten müssen.

Andererseits müssen wir auch Willen und Bereitschaft der Europäischen Union selbst erwähnen, neue Mitglieder aufzunehmen. Es ist unbestritten, daß die Union, breiter um die Mitgliedsländer mit einem niedrigeren Brutto-Sozial Produkt per capita mehr kosten wird, nicht weniger. Dieses Faktum sollte akzeptiert und auf eine verständliche Weise definiert werden. In diesem Zusammenhang muß ich sagen, daß z. B. die Erklärungen über eine mögliche zukünftige Beitragssenkung der einzelnen Länder in das EU-Budget, die von den Steuerzahlern in allen gegenwärtigen Mitgliedsländern sehr positiv und mit riesigen Erwartungen empfunden werden, gleichzeitig im Moment der EU-Erweiterung als Warnung in den assoziierten Ländern interpretiert werden.

Unlängst ist mir ein Artikel in die Hand gekommen, von dem ehemaligen EU-Kommissar Claude Cheysson geschrieben ("Defining Europe´s Place in the World", The Philip Morris Intitute for Public Policy Research, September 1997), in dem er sagt: "Whether we like it or not, there is not going to be much scope in an enlarged Union for funding the same depth of integration as with a smaller EU made-up of wealthier members" (S. 33). Falls das der Ausdruck der Nicht-Zustimmung zu dem schon existierenden übermäßigen und zu großzügigen "funding" der allermöglichen Politiken des europäischen Wohlstandstaates sein soll, ist das sehr versprechend für alle liberalen und konservativen Politiker (und ihre Wähler). Falls das aber als Warnung gemeint ist, daß die Verbreitung nicht möglich sei, deutet es auf ein nicht geringes Problem hin. Und ich muß zugeben, daß es eben so in den künftigen Mitgliedsländern interpretiert wird.

Das gewagteste "Vertiefungsprojekt" der Gegenwart ist zweifellos die Europäische Währungsunion. Ich nehme schon und ungern an, daß dieses Projekt realisiert wird. Meine Fragen gehen deshalb zu den möglichen Folgen der Währungsunifikation hin. Und die Folgen sind nicht nur positiv. Die gut bekannten Maastricht-Kriterien sind makroökonomisch, während die ökonomische Theorie der "optimum currency areas" in den mikroökonomischen Kategorien definiert ist, was grundsätzlich unterschiedlich ist. Z.B. die Größe der Staatshalhaltsdefizite oder die Staatsverschuldung haben keinen Zusammenhang mit dem Grad der Lohnrigidität oder der Arbeitsmobilität oder auch mit der Auftretung der sogenannten "assymetric shocks". Und gerade dort liegt das Problem.

Die Währungsunion hat seine Erträge, aber auch seine Kosten. Wir alle wissen, daß die größten Kosten der Währungsunion den Zusammenhang mit der Auflösung der Währungsautonomie haben, das heißt mit Auflösung der Freiheit unabhängige Geldpolitik durchzuführen, und der Freiheit den nominalen Wechselskurs als Instrument der Wirtschaftspolitik verwenden zu können.

All das ist der bekannte Ausgangspunkt, und ich setze voraus, daß wir alle das wissen. Die Währungsunion eliminiert die möglichen Veränderungen des Wechselkurses, und wir müssen uns die Frage stellen, wie zufrieden wir mit der Preis- und Lohnflexibilität und mit der Mobilität der Arbeitskräfte sind. Ich befürchte, daß sie nicht genügend sind, und daß sie die Anpassung des realen Wechselkurses nicht sichern können. Sollte es wahr sein, brauchen wir die Fiskalpolitik. Aber die Fiskalpolitik ist der Kern der nationalen Souverenität.

Ich bin mit denen einverstanden, die damit argumentieren, daß die Währungsunion für ihr erfolgreiches Fungieren den fiskalen "Föderalismus" erfordert, und daß "der Währungsraum nicht größer sein sollte als der Fiskalraum." Es scheint mir deshalb, daß die Debatte über die Europäischen Währungsunion zugleich mit der Debatte über die Europäische Fiskalunion und über die politische Union geführt werden sollte, und wenn ich mich nicht irre, wurde so eine Debatte bis jetzt nicht geführt, oder wenigstens nicht seriös.

Meine theoretische Überzeugung, daß die Währungsunion weitführende fiskale Zusammenhänge hat, wurde durch meine politische Erfahrung gestärkt. Die ehemalige Tschechoslowakei war - obwohl es nicht so interpretiert wurde – eine Währungsunion, und wie wir vor ein paar Jahren begriffen haben, war diese Union zu groß, als daß sie als Währungsunion überleben kann.

Als der letzte Finanzminister dieses Währungsraumes weiß ich, daß wir

• ohne Hilfe des nominalen Wechselkurses zwischen dem tschechischen und dem slowakischen Teil der Föderation und

• ohne meinen Willen zum Desintegrieren der Fiskalpolitik

Geld schicken mußten, was bedeutet, umfangreiche Fiskaltransfers durchzuführen, damit man die wachsenden ökonomischen Unterschiede und Ungleichgewichte hinderte. Ich kann mir nicht vorstellen, daß es möglich sein könnte ohne irgendeine politische Union. Ohne diese politische Union, hielt sich die Währungsunion bei uns nur noch weitere sechs Wochen.

Wenn ich das alles sage, bedeutet das kein Europessimismus. Wir sollten aber keine Euronaivisten sein, ich bin für Eurorealismus.

Václav Klaus, Bodensee Wirtschaftstag, Rorschach, 28. August 1998

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