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„Europa braucht Freiheit: Plädoyer eines Mitteleuropäers“ – Präsentation des Buches in Zürich

Deutsche Seiten, 24. 1. 2013

Vielen Dank für Ihre Einladung und für die angenehme Gelegenheit wieder einmal in Ihrer schönen Stadt sein zu dürfen. Besonders möchte ich mich bei Gerhard Schwarz und der Stiftung Avenir Suisse und ebenso Siro Barino und Efficiency Club für das Organisieren dieses Treffens bedanken.

Es gibt viele Themen, die in dieser Zeit aktuell, interessant und inspirierend sind, aber heute möchte ich hier über Europa, über die wirtschaftliche und politische Situation in Europa und über die künstliche, nicht spontan entstehende, in letzter Zeit radikal beschleunigende massive Unifizierung und De-demokratisierung des europäischen Kontinents, die vor unseren Augen abläuft, reden. In dieser Hinsicht hat Ihr Land, die Schweiz, eine besondere Position. Sie ist eine ruhige Insel in der stürmischen See des unifizierten europäischen Kontinents. Wir alle beneiden sie.

Wie es so oft in ähnlichen Situationen geschieht, bringt die heutige europäische Entwicklung mehrere ungeplante und unerwünschte Konsequenzen, die ganz entgegengesetzte Prozesse als europäische Einheit und Harmonie in Gang setzen. Es ist für mich keine Überraschung. Seit Langem spreche ich über die exzessive Unifizierung und Denationalisierung Europas und warne davor, dass sie zu großen Problemen, sogar zur Desintegration, führen kann. Sehr bald nach dem Fall des Kommunismus, in der damaligen euphorischen Atmosphäre in Prag, habe ich gewarnt: Das Schlagwort „Zurück zu Europa“ ist etwas anderes als „Avanti in die EU“. Trotzdem habe ich nicht erwartet, dass die Tiefe der Probleme, die wir heute erleben, so schnell eintreten wird.

Was sehe ich heute in Europa? An der Achse Bürger vs. Staat und an der Achse Markt vs. zentralistische und bürokratische Regulierung und Reglementierung der Wirtschaft und Gesellschaft sehe ich – und bestimmt nicht nur ich – eine gefährliche Entwicklung, die ich als eine Bedrohung unserer Freiheit und Prosperität interpretieren und auslegen muss. Jeder, der offene Augen hat, muss auch das wachsende Pharisäertum der politischen Korrektheit und die beschädigte parlamentarische Demokratie oder sogar Postdemokratie mit Furcht sehen. Man muss die ständig steigenden Ansprüche der Menschen merken, die – wegen der zu großzügigen Sozialpolitik – von den Leistungen abgetrennt und sogar immunisiert wurden. Man muss sich auch die Frage stellen, ob die europäische Wirtschaft die Maßnahmen, die von der Ideologie des Environmentalismus (oder Ökologismus) kommen, überstehen kann. Sie wissen vielleicht, dass auch dieses zu meinen beliebten Themen gehört. Mein Buch „Blauer Planet in grünen Fesseln“[1] wurde schon in 20 Sprachen in der ganzen Welt veröffentlich.

Die Herausforderung, vor der wir heute in Europa stehen, nehme ich sehr ernst, ähnlich wie vor 23 Jahren den Kollaps des Kommunismus und den komplizierten Aufbau der freien und demokratischen Gesellschaft in unserem Land und in ganzen Mittel- und Osteuropa. Jetzt stehen wir vor ähnlichen Aufgaben. Das heutige Problem Europas wird nicht auf den immer häufigeren EU-Gipfelkonferenzen gelöst. Seine Tiefe und Dringlichkeit brauchen etwas Anderes. Sie brauchen eine fundamentale Wende, einen Wechsel des gesamten Paradigmas unseres Benehmens und unseres Denkens. Das müssen die Menschen den Politikern sagen.

Vor einem Jahr habe ich ein Buch über diese Themen geschrieben, welches vor ein paar Wochen auch in der deutschen Sprache veröffentlicht wurde[2]. Ich bin sehr froh, dass ich das Buch auch hier in Zürich vorstellen darf.

Dieses Buch wurde auf Tschechisch geschrieben und herausgegeben, heute haben wir – zu der deutschen Ausgabe – auch die englische, italienische, bulgarische und spanische Version. In ein paar Tagen wird auch die dänische Ausgabe erscheinen.

Der ursprüngliche tschechische Titel meines Buches lautet Europäische Integration ohne Illusionen, was wahrscheinlich genauer und treffender ist, aber der deutsche Herausgeber präferierte etwas, was ich eigentlich auch sagen wollte: Europa braucht Freiheit.

Dieser kurze Satz, diese drei Worte sind – mehr oder weniger – die Hauptbotschaft meines Buches. Die Schwächung der Freiheit, die Postdemokratie, irrtümlich nur als Demokratiedefizit genannt, genau das ist es, was ich heute in Europa sehe und fühle. Unsere Vergangenheit in der kommunistischen Zeit, macht uns in dieser Hinsicht sehr sensibel.

Ich kritisiere nicht die Einzelheiten des europäischen Integrationsprozesses, sondern ihn als Ganzes. Meine Kritik bezieht sich auch nicht auf die Lücke zwischen dem hypothetischen Integrationsmodell und der immer unvollkommenen, imperfekten Realität. Meine Kritik bezieht sich auf das Modell, auf das Schema oder das Konzept der europäischen Integration.

Wenn ich über Europa spreche und das Wort Krise benutze, meine ich nicht die akute Verschuldungskrise der Eurozone. Ich spreche über die lange Zeit existierende Krise der europäischen Wirtschafts- und Sozialsystems und des Modells der europäischen Integration. Ich habe Angst, dass wir uns in einer Sackgasse befinden. Wir alle wissen oder wissen sollen, dass es aus einer Sackgasse nur einen Weg gibt, den Weg zurück. Das sind die Worte, die ich mich von dem bekannten schweizerischen Liberale Robert Nef ausgeliehen habe. Den Weg zurück zu den Wurzeln, auf denen Europa ihre historischen Erfolge, ihre Freiheit und ihre Prosperität aufgebaut hat. Das sind die Themen meines Buches.

Das erste Kapitel meines Buches diskutiert die historische Entwicklung der europäischen Integration, den Weg von der EWG zur EG und von der EG zur EU.

Das zweite Kapitel ist dem heutigen instabilen Zwischenstand gewidmet, den man EWU, Europäische Währungsunion, nennen kann. Dieser Zustand wird – für mich leider – zu der tieferen Stufe der Integration, zu der EFU (Fiskal Union) und EPU (Politische Union), früher oder später führen.

Man sollte laut sagen, dass die ersten mehr als zehn Jahre der Existenz der Währungsunion nicht die positiven Effekte geliefert haben, die man – zu Recht oder zu Unrecht – erwartet hatte. Es wurde versprochen, dass die Währungsunion das Wirtschaftswachstum akzelerieren, die Inflation senken und vor allem ihre Mitgliedstaaten vor verschiedenen externen Störungen schützen wird.

Nichts davon ist eingetreten. Eher das Gegenteil. Nach der Entstehung der Eurozone hat sich das Wirtschaftswachstum in ihren Ländern im Vergleich zu den vorherigen Jahrzehnten verlangsamt. Auch die Handelsbilanzen und Staatshaushalte haben sich verschlechtert.

Es ist nicht überraschend. Viele von uns haben lange Zeit gewusst, dass die Idee einer gemeinsamen Währung für ganz Europa falsch und gefährlich sein wird, und dass sie zu großen wirtschaftlichen Problemen und notwendigerweise auch zu der undemokratischen Zentralisierung des Kontinents führen muss. Genau das passierte. Die Eurozone der heutigen 17 Staaten ist ohne Zweifel keine „optimale Währungszone“. Ihr Entstehen war eine rein politische Entscheidung.

Die Politiker sollten in Betracht nehmen, dass wenn die Währungszone keine optimale Währungszone ist, kann es nicht anders sein, als dass die Kosten für ihre Schaffung und Erhaltung die Erträge übersteigen, die das Funktionieren der Währungszone mit sich bringt. Die beiden Worte „Schaffung“ und „Erhaltung“ sind wichtig. Die meisten Beobachter waren mit der Leichtigkeit des ersten Schrittes (Gründung der gemeinsamen Währungszone) zufrieden. Es wurde der Eindruck erweckt, dass mit diesem Projekt alles in Ordnung sei.

In den letzten Monaten und Jahren wurden die negativen Effekte der zu engen „Zwangsjacke“ der gemeinsamen Währung immer mehr evident. Bei „gutem Wetter“ (im ökonomischen Sinne des Wortes) entstehen keine unlösbaren Probleme. In einer Krise (oder „bei schlechtem Wetter“) wird die fehlende Homogenität in Europa evident. Solche leicht verletzbare Währungszone aufrechtzuerhalten ist in dieser Situation sehr kompliziert und sehr teuer.

Über die weitere kurz- oder mittelfristige Entwicklung möchte ich nicht spekulieren. Meiner Einschätzung nach wird der Euro direkt oder nominal nicht scheitern, da in seine Existenz zu viel politisches Kapital investiert wurde. Das Projekt wird fortgesetzt – aber um einen enormen Preis, der durch sehr niedriges Wirtschaftswachstum (oder sogar Stagnation) und hohe Finanztransfers manifestiert wird.

In diesem Zusammenhang diskutiere ich in meinem Buch auch Griechenland. Unlängst habe ich die Frage bekommen, ob der neue europäische Rettungsschirm Griechenland helfen wird. Meine Antwort war: „Es ist falsch, dass es als ein Rettungsschirm für Griechenland bezeichnet wird. Es handelt sich um einen Rettungsschirm für die Utopie der Eurozone.“ Griechenland hat die heutigen europäischen Probleme nicht verursacht. Dieses Land ist das Opfer der Währungszone und braucht die Möglichkeit die Eurozone zu verlassen.

Das dritte Kapitel meines Buches diskutiert die Vor- und Nachteile der territorialen Integration im ökonomischen Sinne. Im Widerspruch zu den dominierenden Positionen sehe ich auch verschiedene Nachteile – im Zentralismus, in unnötiger Gleichschaltung, Homogenisierung und Standardisierung des gesamten Kontinents und in Unzweckmäßiger Annahme, dass „one-size-fits-all“ (eine Größe allen passt). Die Vorteile sind bekannt, die Nachteile sind, oder lange Zeit wurden, nicht diskutiert.

Das vierte Kapitel beschreibt die politischen Folgen der Kommunitarisierung und Denationalisierung Europas, wo ich die Bedrohung unserer Freiheit sehe.

Das fünfte Kapitel fragt „Wohin soll Europa gehen?“ Meine Antwort ist: Europa braucht eine Wende, eine radikale Systemveränderung. Europa braucht einen fundamentalen Systemwandel, eine Umgestaltung des herrschenden Paradigmas unseres Denkens und unseres Benehmens.

Um zu einer solchen Entscheidung zu kommen, braucht man einen echten politischen Prozess, nicht die Bewilligung eines Dokumentes, das hinter verschlossenen Türen in Brüssel vorbereitet wurde. Es muss das Ergebnis der politischer Debatten in den einzelnen EU-Ländern sein. Es muss vom Volk, vom „Demos“, in diesen Ländern geschafft werden. Das kann man nicht an der europäischen Ebene organisieren. (Es gibt kein Demos in Europa. Man hat hier nur „Bewohner“ Europas.).

Solche Debatte müssen wir sehr bald anfangen.

Václav Klaus, Avenir Suisse, Hotel Dolder, Zürich, 22. Januar 2013



[1] „Blauer Planet in grünen Fesseln, Was is bedroht: Klima oder Freiheit“, Carl Gerold’s Sohn, Wien, 2007.

[2] Europa braucht Freiheit: Plädoyer eines Mitteleuropäers, LIT Verlag, Berlin, 2012.

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