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Rede des Präsidenten der Tschechischen Republik an der Botschafterkonferenz

Deutsche Seiten, 1. 9. 2010

Sehr geehrte Botschafterinnen und Botschafter, 

ich möchte Sie, so wie jedes Jahr Ende August/Anfang September, herzlich begrüßen und – zusammen mit Ihnen – über unsere Außenpolitik und die daraus für uns hervorgehenden Aufgaben nachdenken. Bei der Ernennung der Regierung im Juli dieses Jahres habe ich unter anderem Folgendes gesagt: „Ich würde mich freuen, wenn diese Regierung auch dem Ausland gegenüber stark ist, wenn sie im Ausland deutlich sprechen würde und die Interessen unserer Bürger vertreten könnte. Unsere Wähler sind es, die dieser Regierung das Mandat erteilt haben, nicht ihre zukünftige Partner auf internationaler Ebene.“ Gestatten Sie mir, diese Worte noch etwas zu ergänzen und zu erklären, da sie in keinem Falle selbstverständlich sind. Sicher nicht in unserem Land. 

Die vor drei Wochen im Abgeordnetenhaus vorgetragene Regierungserklärung enthielt auch den Satz, dass sich „die Regierung um eine verantwortungsvolle Außenpolitik bemühen wird, die auf Kontinuität und einem weitmöglichsten innenpolitischen Konsens beruht.“ Beides ist sehr nötig. 

Ich weiß sehr gut, dass ich zu einem mehr oder weniger stabilen diplomatischen Korps spreche, nicht zu den Politikern, aber wenn die Diplomatie nicht reine Routine sein soll, die nur auf die elementare Verwaltung der bilateralen Beziehungen zweier Staaten basiert, ist das Bewusstsein der weiteren Zusammenhänge durchaus notwendig. Die Grundzüge unserer Außenpolitik müssen wir kennen und respektieren. Sie ist nicht bloßer Abklatsch der Innenpolitik und ohne sie herrschte entweder die Konzeptionslosigkeit, eventuell nur kurzsichtige Zweckdienlichkeit der Aktivitäten im Ausland, oder reine Passivität. Sicherlich ist nichts davon in unserem Interesse. 

Ebenso schlecht wäre die Haltung, die uns in unserer unfreien Vergangenheit charakterisierte und die davon ausgegangen ist, dass der beste Weg zum Erreichen einer guten und günstigen Position unseres Landes in der Welt in blinder Gehorsamkeit, im Konformismus und in grenzenloser Loyalität gegenüber sämtlichen Schritten, Politiken und Initiativen unserer Verbündeter oder derer, die wir als Verbündete betrachten, besteht – ohne sich dabei die Frage zu stellen, in welchem Maße die Durchsetzung ihrer Politiken für unser Land vorteilhaft ist. Diese Denkweise hat bei uns auch heute noch viele Befürworter. Sie argumentieren zwar mit universellen Werten, der Globalisierung oder fortschreitenden Europäisierung, aber in Wirklichkeit bedeutet es eine Resignation auf die Außenpolitik und auf die Durchsetzung von unseren authentischen Interessen. 

Ein Teil unserer Politiker, Diplomaten und Journalisten vertritt zudem die etwas naive Überzeugung, dass unsere Verbündeten diese blinde Loyalität positiv bewerten, dass wir dadurch automatisch besondere Beziehungen mit ihnen aufbauen (die die reale Bedeutung unseres Landes überschreiten) und dank dessen außerordentliche Sicherheitsgarantien oder wirtschaftliche oder politische Vorteile erzielen. Die Erfahrungen der letzten zwanzig Jahre, aber auch der sehr viel längeren Vergangenheit, zeigen, dass in den internationalen Beziehungen, wie überall sonst, nichts umsonst ist. Alles muss bezahlt werden. Es lohnt sich nicht, auf die Dankbarkeit anderer zu setzen. 

In der Außenpolitik müssen wir auch das entgegengesetzte Extrem vermeiden – die unrealistische Überschätzung unserer Möglichkeiten, die Vorstellung, dass wir aufgrund irgendwelcher Ausnahmestellung dort Erfolg haben könnten, wo die Großmächte und die internationale Gemeinschaft bislang gescheitert sind, dass wir durch eigene originelle Initiativen langjährige Krisenherde der heutigen Welt beseitigen könnten. Auch das ist nicht der Weg zum internationalen Respekt für unser Land. 

In der letzten Zeit beschränkt sich unser nationales Interesse für einige unserer Politiker und Journalisten auf einen einzigen Standpunkt, der völlig in der Vergangenheit behaftet ist, wonach wir immer noch einer grundsätzlichen Bedrohung durch Russland ausgesetzt sind, ungeachtet der dort durchgeführten und stattfindenden Veränderungen. Durch die Brille dieser Angst vor Russland wird dann auch sämtliches Geschehen in der Politik und Wirtschaft in Europa und der Welt betrachtet. Alle anderen Gefahren werden bagatellisiert. Bei einigen ist diese Haltung vielleicht authentisch, in vielen Fällen ist sie jedoch zweckbestimmt, motiviert durch durchsichtige innenpolitische Kalküle. 

Diese trivialisierte und manipulative Vorstellung von unseren nationalen Interessen muss abgelehnt werden. Nicht deshalb, weil wir uns wieder den Einfluss Moskaus bei uns wünschten, nicht deshalb, weil wir unsere Abhängigkeit von Russland in so wichtigen Bereichen wie z. B. der Energieversorgung unterstützten, sondern weil sie im Widerspruch zur Realität ist und eine offene Diskussion über die tatsächlich wichtigen Aspekte unserer Außenpolitik verhindert. Die Interessen der großen Staaten sind eine Realität und wir sollten deshalb sowohl die Naivität als auch die paranoiden Tendenzen vermeiden. 

Es ist unser primäres Interesse, dass die Tschechische Republik ein stabiler, nachhaltig prosperierender Staat ist, ein Staat, der in internationalen Beziehungen eine klar definierte Entität ist, ein Staat, der seinen Bürgern demokratische Freiheiten und ihre internationale und nationale Sicherheit garantieren kann. Alles andere sind Methoden und Wege, wie dies erreicht werden kann. 

Es ist ebenso klar – und ich möchte es betonen, um im Voraus auf einige unserer falschen Internationalisten zu reagieren, dass die Mehrheit unserer Interessen für ein Land unserer Größe nur im Rahmen der internationalen Gemeinschaft bzw. der internationalen Institutionen, deren Mitglieder wir sind, erreicht werden kann. Dies bedeutet jedoch nicht im geringsten, dass alle Meinungen, Standpunkte oder Formen der institutionellen Gestaltung dieser Institutionen, sollten sie auch von Mehrheiten durchgesetzt und gefördert werden, automatisch im Einklang mit unseren grundlegenden Interessen stehen. Die fortschreitenden Tendenzen zur künstlichen Unifizierung Europas, zu mehr Regulation von immer mehr menschlichen Aktivitäten und zur Vertiefung des demokratischen Defizits der Europäischen Union stehen unseren nationalen Interessen dagegen grundsätzlich entgegen. Die Realität der europäischen wirtschaftlichen und politischen Entwicklung bestätigt, vor allem in der heutigen Zeit, dass die bisherige Nichtbeachtung dieser Probleme und Durchsetzung von Projekten wie z. B. dem Vertrag von Lissabon aus einer Machtposition heraus nicht nur die zukünftige Properität Europas, sondern auch alles positive, was in Europa in den vergangenen Jahrzehnten erreicht wurde, gefährden. An allererster Stelle werden dadurch die Demokratie und die bürgerlichen Freiheiten gefährdet. 

Es bedürfte einer außerordentlichen Unaufmerksamkeit, um nicht zu bemerken, wie sich in den letzten wenigen Monaten die europäische Diskussion und Einstellung zu einigen früher gänzlich tabuisierten Problemen gewandelt hat. Es ist eine Lehre für unsere Außenpolitik, eine Lehre auch für unsere Diplomatie. Es ist unsere Pflicht, auf Probleme hinzuweisen und Druck von außen zu widerstehen. Lassen wir uns nicht von denjenigen zum Schweigen bringen, die behaupten, dass wir durch die Durchsetzung unserer Interessen in die Isolation geraten könnten. Das wird nicht geschehen. Wir erhalten dann nur kein Lob mehr von denjenigen, die ihre eigenen Interessen durchsetzen. Auch um unser JA müssen sich unsere Partner bemühen und müssen wissen, dass unsere Stimme nicht umsonst ist. 

Dass unsere Außenpolitik nicht auf ihr Recht auf Verteidigung und Durchsetzung der Interessen unseres Landes verzichten darf, gilt nicht nur für europäische Angelegenheiten. Klare Ziele und realistische Strategien müssen von unseren Verbündeten auch in Krisengebieten wie dem Irak, Afghanistan oder dem westlichen Balkan, wo wir zusammen mit ihnen engagiert sind, gefordert werden. Sonst wäre dies eine ungerechtfertigte Verschwendung menschlicher und materieller Mittel. Es könnte so weit kommen, dass es äußerst schwer wird, die langjährige Beteiligung unserer Truppen in diesen Missionen zu rechtfertigen, wenn sie große Summen unseres sehr angespannten Haushalts verschlingen und kein Ende ihres Einsatzes sichtbar ist. 

Unser vorrangiges Interesse besteht in der Erhaltung fester transatlantischer Beziehungen und des Bündnisses mit den Vereinigten Staaten, deren Rolle für die europäische Stabilität und auch unsere Sicherheit trotz aller Veränderungen der letzten zwanzig Jahre unersetzlich ist. Von außerordentlicher Bedeutung sind auch die Beziehungen zu unserem größten Wirtschaftspartner und Nachbar, Deutschland, und zu den weiteren westeuropäischen Ländern, die in der internationalen Politik traditionell großen Einfluss haben. Vom Bedürfnis ausgewogener Beziehungen zu Russland habe ich schon gesprochen. Dieselbe Aufmerksamkeit muss auch den neu entstehenden Großmächten wie China, Indien, Brasilien u. a. gewidmet werden. 

Eine äußerst wichtige Rolle hat die tschechische Diplomatie auch gegenüber unseren Nachbarländern. Gut zu verstehen, was unsere Nachbarn traditionell oder als neue Trends in ihrer Politik durchzusetzen gedenken, ist eine selbstverständliche Voraussetzung dafür, dass wir die Atmosphäre in Mitteleuropa in einer für uns günstigen Richtung beeinflussen können. Es ist nicht nötig zu verbergen, dass einige gegenwärtige Entwicklungen nicht in unserem Interesse sind.  

Ein kleines Land, wie die Tschechische Republik, kann keine bedeutende Rolle in der Weltpolitik beanspruchen, aber sichtbar müssen wir sein. Eine gewisse Restrukturierung unserer Botschaften und Generalkonsulaten kann ich mir vorstellen. Entscheidungen über eine Änderung in ihrer Zahl dürfen jedoch nicht hastig getroffen werden, da reine Streichungen keine wirkliche Lösung bringen. Es ist notwendig, die Gewichtung zwischen unseren Vertretungen in Europa und im Rest der Welt zu ändern. Europa, bzw. die Europäische Union sind kein Ausland mehr im gewöhnlichen Sinne des Wortes und sollten nicht unter das Ressort des Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten fallen. Ich sehe keinen Grund für das Bestehen unserer Botschaften in einer Reihe von kleineren EU-Ländern. Die Schließung eines Generalkonsulats in einem großen lateinamerikanischen Land, in einer Stadt, die mehr Einwohner und eine vielfach größere Wirtschaftskraft hat als die acht kleinsten EU-Staaten zusammen, halte ich für einen Fehler. Ebenso erachte ich es für überflüssig, Botschafter in verschiedenen internationalen Organisationen zu halten, wenn ein Mitarbeiter der Botschaft des jeweiligen Landes auch ausreichen würde.           

Das Netz unserer diplomatischen Vertretungen in den meisten Gebieten der heutigen Welt ist nur dann vertretbar, wenn die Wirtschaftsdiplomatie in ihrer Arbeit grundsätzliche Priorität erhält. Ein europäischer auswärtiger Dienst wird niemals die Interessen tschechischer Firmen vertreten und in der Welt durchsetzen. 

Suchen wir auch in der Personalpolitik nach einem rationalen Mechanismus. Ich glaube nicht, dass bei der Besetzung der höchsten diplomatischen Posten eine Art Kampf zwischen Karrierediplomaten und Persönlichkeiten aus dem politischen Leben, die die Stellung von Botschaftern antreten, stattfinden sollte. In einigen Gebieten kann ein ehemaliger bedeutender Politiker das Image der Tschechischen Republik im Vergleich zu einem jungen Karrierediplomaten wesentlich aufbessern. Ebenso gilt es jedoch, dass Diplomatenposten kein „Altenteil“ für ausgediente Politiker sein dürfen. Es liegt an der Leitung des Ressorts, in diesen Dingen einen vernünftigen Kompromiss zu finden. 

Abschließend möchte ich nur noch hervorheben, dass die Loyalität zur Tschechischen Republik, zum eigenen Ministerium, zur eigenen Regierung und zum Präsidenten für jeden Botschafter selbstverständlich sein muss. Es ist gar nicht im Widerspruch mit der alltäglichen Aufgabe von jedem unserer Diplomaten, sich aktiv am medialen und gesellschaftlichen Klima des Landes, in dem sie/er arbeitet, zu beteiligen. Die Lage bei uns zu Hause und unsere außenpolitischen Schritte zu erläutern, ist ein ebenso unverzichtbarer Teil der Arbeit eines Diplomaten, wie die Mythen über uns zu entkräften. In diesen Aktivitäten darf der Diplomat nicht nur auf Instruktionen und offizielle Statements warten. Er muss in der Lage sein, – in vernünftigem Umfang – eigene Ansichten zu äußern. Ich bin überzeugt, dass Sie das tun und tun werden.

Václav Klaus, Die Rudolfsgalerie, Prager Burg, 1. September 2010

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