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Rede des Präsidenten der Tschechischen Republik anlässlich des Besuches in Niederösterreich

Deutsche Seiten, 8. 6. 2005

Auf meinen Besuch in Niederösterreich habe ich mich schon lange Zeit wirklich gefreut und ich möchte hier heute sehr gern sagen, dass ich zufrieden bin, dass wir diesen Besuch endlich realisiert haben. Ich glaube, dass auch dieser Besuch eine weitere positive Scherbe in die Mosaik sehr bunter und in jeder Hinsicht freundschaftlicher tschechisch-österreichischen Beziehungen sein wird, deren schönes Beispiel vor ein paar Wochen – auf unserer Seite der Grenze – die Eröffnung des rekonstruierten Geburtshauses des österreichischen Bundes-Präsidenten Dr.Karl Renner in Dolní Dunajovice (Unter Tannowitz) war.

In den letzten Jahren bin ich mehrmals durch Niederösterreich gefahren, aber nur gefahren. Ein Paar Stunden wie heute war ich hier wahrscheinlich nur einmal – im Jahre 2000 anlässlich meiner Teilnahme an dem Europa Forum im Kloster Göttweig.

Es war damals eine besondere Zeit. Österreich war von seinen Kollegen in der Europäischen Union dafür kritisiert, dass sich – aufgrund seiner eigenen Wahlergebnissen – seine eigene Regierungskoalition gewählt hat. Nach verschiedenen ausländischen Beobachtern war aber diese Koalition unrichtig, besser gesagt, politisch unkorrekt. Ich war damals einer der wenigen vom Ausland, der an dieser alljährlichen Konferenz teilgenommen hat. Ich war auch einer der wenigen, der gesagt hat, dass sich jedes Land solche Sachen selbst entscheiden sollte. Auch jetzt bin ich davon überzeugt, dass ich damals recht hatte. Als ich letzte Woche meine fünf Jahre alte Rede gelesen habe, habe ich festgestellt, dass ich schon in dieser meinen Rede in damaliger Reaktion mancher europäischen Politiker das Vorzeichen zukünftiger europäischen Probleme gesehen habe. Auch darin hatte ich recht. Die heutigen Probleme mit der europäischen Verfassung zeigen das ganz klar.

Es ist nur fünf Jahre seit dieser Zeit, aber die Welt war im Juni 2000 in verschiedenen wichtigen Aspekten anders als heute – Wein in Wachau wurde noch mit Schillingen bezahlt, die EU hatte nur 15 Mitgliedsländer, es war noch vor der Tragödie vom 11. September und vor dem Krieg in Irak, und sogar die europäische Verfassung wurde noch nicht geschrieben.

Heute geht es nicht mehr um die Substanz des damaligen Problems, da es allen klar ist, wer sich damals geirrt hat. Österreich ist auch mit dieser Regierungskoalition ein voll demokratisches Land gewesen. Es ist uns jedoch etwas anderes geblieben – ein Prozedurall–oder ein Systemproblem. Es ist das ewige Problem der Grenzen zwischen dem Inneren (heimatlichen) und dem Äusseren (ausländischen). Im Prinzip geht es im Rahmen der Europäischen Union um das Ausmass der nationalen (oder staatlichen) Souveränität, also um Problem, das in den letzten Monaten – im Zusammenhang mit dem Ratifizierungsprozess der EU Verfassung – dramatisch an Aktualität gewonnen hat.

In diesem Streit, der sich heute in Europa unter verschiedlichsten Bezeichnungen und Verstecken abspielt, geht es um die Frage, ob sich der bisherig dominante inter-regierungliche (intergovernmentliche) Charakter der EU in den dominant supranationalen verwandeln wird. Es geht um nichts Anderes, um nichts Geringeres.

Die heutige Version der EU-Verfassung bemüht sich, diese Frage mit der vorsichtigen Auswahl der Terminologie umzugehen. Das geht aber leider nicht. Jeder weiss, dass es sich in diesem Versuch nur um Spiel mit den Worten handelt. Immer, wenn es in verschiedenen Artikeln der Verfassung nötig wäre, klarzusagen, worum es geht, wurde statt der Worte „inter-regierungliche“ oder „supra-nationale“ das Wort „komunitar“ benutzt, das – von sich selbst – gar nichts bedeutet. Mit der Aufnahme der Verfassung würde aber diese fundamentale Veränderung der Grundlage der EU faktisch realisiert.

Darüber gibt es in unserem Lande – ähnlich wie in der Mehrheit der anderen EU–Mitgliedsländern – einen notwendigen Streit. Die jetzige Regierungskoalition betrachtet diese Änderung als eine richtige. Nicht geringe Zahl der Bürger denkt darüber jedoch etwas Anderes. Ich glaube, dass dieser Streit - im Falle der Fortsetzung des Ratifizierungsprozesses - auch bei uns mit der Volksabstimmung gelöst werden wird. Bis zu dieser Lösung ist es logisch und demokratisch, beide diese Ansichten für legitime zu halten.

Das französische und das holländische Referendum zeigte die tiefe Verschiedenheit der Meinungen der europäischen politischen Elite und der gewöhnlicher Bürger. Nach diesem „NON“ muss die Zukunft der europäischen Gestaltung endlich ernst und seriös diskutiert werden und manche, längst überwundene Ausgangsvoraussetzungen dieser Diskussion müssen verlassen werden.

Die Gegner der EU Verfassung werden noch heute als primitive Nationalisten genannt, was ich für ausserordentlich unfair halte. Unter den Gegnern der europäischen Verfassung gibt es sicherlich auch Menschen mit verschiedenen nationalistischen Stellungen, es gibt aber unter ihnen ernste und seriöse Gegner, die ohne Zweifel in grosser Mehrheit sind. Man sollte nicht alle Franzosen oder Holländer für Nationalisten halten. Mit ihren Abstimmungen haben sie sich - im Gegenteil - als politisch reife Nationen bewiesen. Die Reaktionen in Europa waren ungewöhnlich und für mich erstaunend. Ich konnte z. B. die österreichische Aussenministerin nicht verstehen, wenn sie letzte Woche sagte: „Die Franzosen müssen sich klar werden, was dieses Votum ausdrücken will. Es ist an ihnen, ihren europäischen Partnern eine Erklärung zu geben." Mir war die Botschaft der Franzosen klar. Sie haben ihre Erklärung schon gegeben.

Ich gehöre zu denen, die ernsthaft bezweifeln, dass es möglich ist, die Freiheit und Demokratie zu bewahren ohne die Einhaltung der Institution des Staates, ohne die Existenz des Volkes (Demos) und ohne direkte Bindung der Bürger an diejenigen, die über sie und für sie im öffentlichen Raum Tag für Tag tausende wichtigen Entscheidungen machen. Der heutige demokratische Defizit in der EU ist ein deutlicher Beweis dafür und ich bin nicht der einzige, der denkt, dass die – in der Verfassung postulierten – Veränderungen diesen demokratischen Defizit noch markant erhöhen werden. Ich bin davon überzeugt, dass sich die Bürger unserer beiden Länder damit ernsthaft beschäftigen sollten.

Jetzt sagte ich „die Bürger beider Länder“. Ich sollte aber sagen, die Bürger zwei sehr befreundeter Länder. Zwischen unseren Ländern herrschen intensive und sehr schöne Nachbarbeziehungen, die man auf beiden Seiten der Staatsgrenze auf jeden Schritt sehen kann. Durch diese intensiven menschlichen Beziehungen der letzten fünfzehn Jahre kehren wir nach einem Jahrhundert dauernden Umweg dazu zurück, was unsere Großeltern kannten. Dies waren die Effekte der faktischen Nichtexistenz irgendwelcher Grenzbarrieren der Bewegungen von Menschen, Gütern und Dienstleistungen, Kapital, aber auch Ideen und Kulturmustern, was die vergangenen Generationen unserer beiden Länder enorm bereichert hat. Die damalige österreichisch–ungarische Integration, oder - in der heutigen Terminologie - etwa Union, überlebte nicht, obwohl sie ziemlich lange gedauert hat. Ähnlich wie die heutige Europäische Union, auch diese Gruppierung hat ihren einzelnen Ländern Kosten verursacht und ihnen Erträge gebracht. Die Mitgliedsländer haben diese Integration in dem Moment verlassen, wenn es zu einem tiefen Ungleichgewicht zwischen den Kosten und den Erträgen kam. Die politische Seite der Sache war immer sekundär.

Ich bin mir gut bewusst, dass diese Themen sehr oft mit einer anderen, viel mehr farbigeren Terminologie und mit einer anderen Argumentation diskutiert werden, aber meiner Meinung nach ist auch diese neutralere Sprache nützlich. Ich bin davon überzeugt, dass die Erträge aus der Öffnung der Länder, aus der Liberalisierung der menschlichen Aktivitäten und aus dem Entfernen von Barrieren jeder Art kommen. Die Kosten im Gegenteil stammen aus der Schaffung von neuen Barrieren, aus unnötiger Regulation, Kontrollen und verschiedensten Beschränkungen der menschlichen Aktivitäten, aus künstlich produzierten, pflichtigen, universellen, niemanden befriedigenden Standarten, aus der Bestrebung nach einer Homogenisierung der Menschen und ihrer Leben. Kosten stammen natürlich auch aus dem Finanzieren von Unionsinstitutionen und deren Beamten. Dies zu sagen ist nicht die Absenz des Ethos und der Noblesse dieser oder deren „europäischen“ Ideen. Ich verstehe Kosten und Erträge im breiten Sinn des Wortes.

Ich glaube an die Zukunft der freundschaftlichen Zusammenarbeit der Nachbarren. Ich glaube, dass Niederösterreich und die Region Südmährens (oder andere Regionen unserer beiden Länder) im eigenen Interesse ihre Beziehungen, die sie bereichern, weiter fördern werden. Für diese ihre Beziehungen brauchen sie aber keine äußeren Organisatoren. Sie zeigen uns jeden Tag, dass sie fähig sind, das selbst zu machen. Genau das ist der Grund meines Optimismus und ich füge noch ein Motto hinzu, dass ich vor ein Paar Jahren irgendwo im Österreich gelernt habe: „Optimismus ist Pflicht“.

Václav Klaus, St. Pölten, Niederösterreich, 8. Juni 2005

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