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Sollten wir mit dem Entstehen der europäischen Transferunion einverstanden sein?

Deutsche Seiten, 21. 3. 2015

Vielen Dank für die Veranstaltung dieses Treffens und für meine Einladung. Fast drei Jahre lang habe ich hier in Frankfurt nicht gesprochen. Zum letzten Mal war es an einer Bankkonferenz im Jahr 2012.

Heute bin ich ein bisschen nervös, aber der Grund meiner Nervosität ist nicht das Thema der heutigen Konferenz. Es geht um etwas anderes. Ich habe bemerkt, dass einer von meinen Mitrednern, Prof. Krämer, der Vorsitzende des Vereins Deutsche Sprache ist. Es deprimiert mich. Ich bin nicht sicher, ob ich mir erlauben kann, meine heutige Rede in seiner Anwesenheit in meinem Deutsch zu halten. Das zu tun ist von mir mindestens eine Unhöflichkeit.

Sie haben jemanden aus Prag eingeladen, der die heutige europäische Entwicklung schon lange Zeit stark kritisiert und der – im Gegensatz zu ihnen – in einem Land lebt, das der Eurozone noch nicht beigetreten ist. Gleich am Anfang wollte ich deshalb klar machen, dass ich mich mit den heutigen Tendenzen in der EU nicht abfinden kann. Was ich jetzt erlebe, habe ich im Moment des Falls des Kommunismus nicht erwartet. Ich wollte – und zusammen mit mir Millionen von Tschechen und anderen Osteuropäern – in einer freien Gesellschaft und in einer freien Marktwirtschaft leben. Das ist nicht eingetreten.

Jetzt zu der EZB. Wir werden hier bestimmt nicht über die EZB neuen Gebäuden witzeln. Das haben schon die Demonstranten getan. Das wäre für uns zu einfach. Uns beunruhigt die Existenz und das Benehmen der EZB. Die bürokratischen, nicht demokratischen Entscheidungsmechanismen in der EU, und die spezifische Rolle, die darin die EZB spielt, sind keine Technikalitäten (das erste Beispiel für mein Denglisch), die nur die Experten oder Jura-Puristen diskutieren dürfen. Es betrifft uns alle. Wir sollten nie akzeptieren, dass es in dieser Debatte nur über die technokratische Effizienz des Regierens geht, über die Beschleunigung der Geschwindigkeit der Entscheidungen oder über die eng interpretierte ökonomische Rationalität.

Es geht um die Freiheit und Demokratie in Europa. Das fühlen besonders wir, die die Mehrheit unseres Lebens im Kommunismus verbracht haben. Diese tragische, für uns durchaus negative Erfahrung hat unsere Sensibilität für solche Themen enorm erhöht. Zum Glück, aber auch leider fehlt solche Erfahrung vielen heutigen Europäern und deshalb fehlt ihnen die notwendige Sensibilität.

Die Menschen in Europa sind heutzutage auch nicht vollkommen frei. Sie sind fast so stark manipuliert, wie wir in der Vergangenheit mal waren. Die EU-Protagonisten und Propagandisten haben eine Atmosphäre geschaffen, in welcher gewisse Fragen und Antworten nicht erlaubt werden. Die wirkliche Debatte – diese unentbehrliche Substanz der Politik – existiert in heutiger EU nicht mehr. Nur deshalb können die Menschen die Fortsetzung des heutigen Weges der europäischen Integration, der zur Postdemokratie führt, unterstützen, verteidigen oder zumindest passiv tolerieren.

Ob die mehr oder weniger passiven Menschen es bewusst oder unbewusst, mit Freude oder Skepsis, mit vollem oder keinem Verständnis dafür was es bedeutet machen, weiß ich nicht. Aber auch wenn es unbewusst gemacht wird, ist es kein Grund für Entschuldigung. Die Menschen in Europa sollten es bewusst machen. Sie haben ähnliche Fehler in der Vergangenheit mehrmals gemacht. Besonders die Deutschen sollen es gut wissen. Mit meiner Erfahrung nehme ich es als meine Pflicht, nicht nur die ökonomischen Technikalitäten, aber auch diese Seite der heutigen europäischen Themen und Probleme wiederholt zu erwähnen. Es ist von mir keine leere Ideologisierung sachlicher Themen. Auch die europäischen Finanz- und Geldprobleme müssen wir in diesem Licht sehen.

Wir müssen uns die unangenehme Frage stellen, ob wir mit dem ursprünglich nicht geplanten, nicht lange Zeit vorbereiteten, demokratisch nicht vereinbarten und den Menschen nicht gut erklärten Entstehen der Transferunion in der EU einverstanden sind, oder nicht. Wir wissen, dass ähnliche wichtige Änderungen im Prozess der europäischen Integration schon einige Male geschehen sind. Z. B. der Schritt von EG zur EU im Jahre 1992, der mit dem Maastricht Vertrag verbunden ist, wurde nicht genügend mit den Menschen diskutiert. Den haben die europäischen Eliten unter ihnen vereinbart. Die folgende Verschiebung der Entscheidungsprozesse, die dieser Vertrag verursacht hat, war in ihrem Interesse, nicht in unserem.

Auch die europäische Währungsunion wurde den Bürgern nicht gut genug erklärt und wurde ihnen um einen falschen Preis verkauft. Sie ist nicht so günstig wie die Menschen damals dachten und wie es ihnen versichert wurde. Die Politiker haben nur die Vorteile, nicht die Nachteile der gemeinsamen europäischen Währung betont. Die Ökonomen haben nicht genügend protestiert. Oder waren nicht genügend gehört worden, was aber – für die Historie – keinen wichtigen Unterschied bedeutet. Die heute entstandene implizite Transferunion und das heutige Benehmen der EZB sind die notwendigen Konsequenzen der früher gemachten Entscheidungen. Viele von uns wussten schon damals, dass es so enden muss. Die Argumente waren bekannt und waren nicht kompliziert. Sie sind für die Studenten im Gymnasium gut verständlich, dazu braucht man keinen Doktortitel in Volkswirtschaftslehre zu haben.

Die Bürger der einzelnen europäischen Länder haben die europäische Finanz (oder Fiskal) Union und besonders die politische Union nicht bewilligt. Die neuen, nicht explizit bewilligten EU Methoden und Mechanismen sind anders entstanden. Und es hat Konsequenzen. Die logische und unabwendbare Konsequenz der nicht optimalen (im ökonomischen Sinne) europäischen Währungsunion und der Probleme, die sich daraus entwickeln, ist die stille oder leise, in jedem Fall nicht explizite Entstehung der offizial nicht existierenden Transferunion an der Basis der EZB. Diese Entwicklung wurde in Deutschland eloquent und laut vom Prof. Sinn thematisiert und beschrieben. Dazu kann ich hier heute nichts Neues sagen. Ich habe auch keine technischen Vorschläge zur Veränderung der heutigen Situation. Es gibt nämlich keine.

Wir müssen etwas anderes tun. Wir sollten nicht die Zeit verlieren und uns mit partialen Reformmaßnahmen beschäftigen. Sie würden in jenen Fall keine Bedeutung haben. Wir sollten akzeptieren, dass wir nicht mehr die Munition der Geld- und Fiskalpolitik zur Verfügung haben. Wir befinden uns in einer Sackgasse, aus der nur der Weg zurück existiert. Diese Sackgasse müssen wir so schnell wie möglich verlassen. Dazu wird uns keine extrem prokeynesianische Politik der EZB helfen. Ganz umgekehrt. Sie wird uns tiefer und tiefer in diese Sackgasse hineinziehen.

In einer Sackgasse kann man lange Zeit nicht vorwärtsgehen. Es gilt auch für die heutige Geldpolitik der EZB, für die sogenannte Quantitative Easing. Dies ist nur eine weitere Methode, wie die Transferunion in die EU einzuschmuggeln. Die Quantitative Easing wird keine Hilfe für die europäische Wirtschaft sein. Im Gegenteil, es wird zur Verstärkung der Unsicherheit und Instabilität führen und zur Entstehung von Preisblasen auf Vermögensmärkten. Deshalb stellt die Anwendung dieser Politik ein Risiko für das ganze Finanz- und Bankensystem dar. Umso überraschender ist es, dass diese Politik aus Frankfurt kommt. Wir haben immer gedacht, dass diese Stadt (zusammen mit dem ganzen Land)  strikt gegen die Käufe der Staatsanleihen gewesen ist.  Gilt es noch heute?

Wir brauchen in Europa mehr als die heute diskutierte, das heißt oberflächliche, nicht tiefgehende partiale Reformen. Wir brauchen die radikale Änderung unseres Wirtschafts- und Sozialsystems und des Modells der europäischen Integration zu verwirklichen. Wir müssen sogar einen Paradigma Wechsel, den Wechsel unseres Denkens und unseres Benehmens erzielen. Etwas ähnliches was wir vor 25 Jahren in Zentral- und Osteuropa machen mussten. Etwas solches zu initialisieren sollten wir als unsere langfristige Aufgabe und Herausforderung annehmen.

Václav Klaus, Konferenz „EZB-Neueröffnung: Neue Politik oder alter Scherbenhaufen?“, Leonardo Royal Hotel Frankfurt, Frankfurt am Main, März 26, 2015.

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