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Corona und die EU: vom Krieg Gegen uns Selbst

Deutsche Seiten, 17. 6. 2021

Die Folgen der politisch gesteuerten, formulierten und motivierten Methoden zur Bekämpfung des Coronavirus mittels restriktiver pauschaler Maßnahmen, so genannter Lockdowns, sind größer, tiefer und gefährlicher als die medizinische Bedrohung durch die Epidemie. Und sie werden länger nachwirkende Folgen haben. Ich weiß, daß es politisch höchst unkorrekt ist, das so explizit zu sagen. Die Vertreter der apokalyptischen Doktrin rund um das Coronavirus wären zweifellos nicht glücklich, wenn sie es hörten. Bereits im April 2020 habe ich in einer frühen Buchpublikation meines Instituts zu Corona betont, daß ich mehr Angst vor den Menschen habe, die versuchen würden, die Epidemie zur Unterdrückung von Freiheit und Demokratie zu mißbrauchen, als vor dem Virus selbst. Ich verschwieg auch nicht meine Befürch- tung, daß »die Epidemie die Tür zu einer enormen Ausweitung staatlicher Eingriffe in unser Leben öffnen würde«. Das ist es, was mich beunruhigt, und nicht nur mich.

Als der Kommunismus zusammenbrach, waren wir davon überzeugt, daß dieses böse und korrupte und System der Unterdrückung vorbei war. Wir glaubten, daß es niemals wiederkehren könne. Wir wollten unsere historische Chance nutzen. Wir wollten die Freiheit, die traditionellen Werte und Institutionen, die freien Märkte, die Souveränität der Nationen sowie die freien und unabhängigen Universitäten wiederherstellen. Die Themen des heutigen Podiums – »Akademische Freiheit«, »Klassische Werte in der postmodernen Welt«, »Das Erbe der lateinischen Zivilisation« – lassen darauf schließen, daß seine Organisatoren dies ähnlich oder sogar genauso sehen.

In unserem Teil der Welt erinnern wir uns noch an den Kommunismus. Ich habe sowohl in der kommunistischen Ära als auch in den ersten Jahren danach sehr freundschaftliche, produktive und intensive Kontakte zu meinen polnischen Kollegen gepflegt. In unserer Ablehnung des Kommunismus waren wir damals sehr entschieden, obwohl wir viele produktive Auseinandersetzungen darüber hatten, wie und wohin es weitergehen sollte. Die Ziele, die wir erreichen wollten, waren jedoch die gleichen. Wir waren keine hohlen Idealisten. Wir glaubten an Pragmatismus und Realismus, nicht an die unverantwortliche Förderung von Wunschdenken und von allen möglichen Utopien. Wir wollten, wie die bedeutende französische politische Philosophin Chantal Delsol einmal sagte, mit »all den ungelernten Lektionen des zwanzigsten Jahrhunderts« abschließen und die alten Fehler nicht wiederholen. Unser Denken gründete auf drei Konstanten, auf drei Grundbausteine oder Entitäten der freien Gesellschaft, die aus unserer Sicht entscheidend für die europäische (und mitteleuropäische) Zivilisation waren: den Mann, die Familie und die Nation. Jedenfalls habe ich sie vor nicht allzu langer Zeit noch als Konstanten bezeichnet. Inzwischen fürchte ich, daß ich mich geirrt habe. Diese Konstanten sind keine mehr.

Die drei Säulen wurden in den letzten Jahrzehnten von jener neuen progressiven Ideologie brutal angegriffen, die es geschafft hat, unsere heutige Welt zu kontrollieren und zu dominieren. Die Vertreter dieser Ideologie versuchen aggressiv, die Vergangenheit und die mit ihr verbundenen Werte und Verhaltensmuster zu diskreditieren. Um dies zu erreichen, bedarf es nichts weniger als »einer Revolution gegen unsere Kultur, gegen unsere Geschichte, unsere Länder und uns selbst«, so John O‘Sullivan (in Hungarian Review, 4/2020). Es ist unsere Aufgabe, sie aufzuhalten. Wir müssen den Aufbruch in jene schöne neue Welt stoppen, die Aldous Huxley vor 90 Jahren so wortgewandt beschrieben hat. Wir dürfen nicht vor den mächtigen, lauten und skrupellosen Gegnern der freien Gesellschaft und den verschiedenen aggressiven Pressure Groups, finanziert von bekannten »uneigennützigen« oder »altruistischen« Sponsoren und Mäzenen, kapitulieren.

In Polen habe ich diese Themen schon oft angesprochen. Als ich 2012 die Ehrendoktorwürde der Kardinal-Stefan-Wyczyński-Universität Warschau erhielt, sagte ich, daß »wir die weitreichenden Auswirkungen der 1960er Jahre wahrscheinlich noch nicht vollständig erfaßt haben. Es war eine Zeit, in der die Autorität traditioneller Werte und gesellschaftlicher Institutionen radikal geleugnet wurde. Das führte dazu, daß die nachfolgenden Generationen die Bedeutung unseres zivilisatorischen, kulturellen und ethischen Erbes nicht verstehen und daß ihnen der moralische Kompaß für ihr Verhalten fehlt.« Ich warnte auch vor der Ideologie des »Human-Rightismus«, der Juristokratie, des »NGOismus«, der Mediokratie, vor Transnationalismus und Supranationalismus. Nur neun Jahre später wissen wir, was ich gemeint habe. Als ich 2017 den Jagiellonen-Preis im Kolegium Jagiellońskie Toruńska Szkoła Wyższain Toruń erhielt, fragte ich, ob »es für die mittel- und osteuropäischen Staaten möglich ist, ihre Identität in der Europäischen Union zu bewahren.« Ich warnte davor, daß wir »eine langsame Rückkehr zu einer Gesellschaft erleben, die sozialistischer, zentralistischer, etatistischer, weniger frei und weniger demokratisch sein wird, als wir es gewollt und geplant haben«, daß wir uns ferner »unter dem Schirm der politischen Korrektheit, des Multikulturalismus und des Human-Rightismus« befinden und daß wir mit unserer Erfahrung des Kommunismus die nicht delegierbare Aufgabe haben, »die alten europäischen Werte, Traditionen und Bräuche zu hüten«. Diese Aufgabe halte ich heute für noch dringlicher als damals.

Ich weiß, daß ein unstrukturierter Vergleich der gegenwärtigen EU-Regelungen mit dem Kommunismus leicht provozierend wirkt und möglicherweise irreführend ist. Das heutige Ausmaß an Manipulation und Indoktrination erinnert jedoch diejenigen von uns, die damals erwachsen waren, die wach und mit offenen Augen die Ära des Spätkommunismus erlebt haben, daran, daß es unsere Aufgabe ist, eben dies den heutigen Generationen zu erklären. Daß es eine besondere Aufgabe für Schulen und Universitäten ist. Die Universitäten sind – zumindest sollten sie es sein – die Zitadellen des freien Diskurses, des freien Meinungsaustausches und der differenzierten Argumentation. Sie sollten Vorurteile, apriorische Setzungen, politisch motivierte Halb- oder Unwahrheiten bekämpfen. Ihrer Universität wünsche ich diesbezüglich recht viel Erfolg.

Als ich zu Beginn meiner heutigen Ausführungen von der Covid-Epidemie sprach, ging es eigentlich nicht um Covid. Covid ist »nur« eine Krankheit. Was uns viel mehr beunruhigen muß, ist der Covidismus – eine Ideologie, die uns abverlangt, die angeblich diskreditierte und verunglimpfte Vergangenheit zu vergessen und die radikale Umgestaltung der menschlichen Gesellschaft mitzumachen. Diese intensiv propagierte Veränderung droht, unseren Lebensstil, unsere traditionellen Werte und unsere freie Gesellschaft zu dekonstruieren und zu zerstören. Es gilt ausdrücklich fest- zuhalten, daß das, was in diesen Tagen vor sich geht, nicht Covid, sondern dem Covidismus zuzuschreiben ist. Weder unterschätze noch verharmlose ich die Zahl der Todesopfer, welche die Epidemie in all unseren Ländern gefordert hat. Aber ich bin nicht bereit, das seltsame und verdächtige Schweigen der Politiker, der Medien und der akademischen Welt zu akzeptieren. Dieses Schweigen bezieht sich auf die Kehrseite der Medaille, auf die stattfindenden sozialen und politischen Veränderungen und ihre Folgen.

Es ist unser aller Aufgabe und insbesondere Aufgabe der Universitäten und dieser Akademie, das deutlich auszusprechen. Wir müssen schonungslos die ökonomischen und finanziellen Kosten der aktuellen Schließungen, die Folgen der Schließungen von Bildungseinrichtungen sowie der zunehmenden Fragmentierung unserer Gesellschaften durch soziale Distanzierung, Ausweitung virtueller Kontakte und Homeoffice analysieren. Neben den Folgen der Corona-Epidemie müssen wir untersuchen, welche Folgen die Pandemie der Angst hat. Wir müssen die wachsende Bedeutung von Social Engineering und technokratischer Expertise (im Vergleich zur Rolle der demokratisch gewählten Politiker) kritisieren. Wir dürfen weder den Verlust von gesundem Menschenverstand, Mäßigung und Anstand hinnehmen, noch den Sieg von Egoismus und Unmoral und auch nicht die Schaffung neuer persönlicher Privilegien. All das erfordert unser mutiges Handeln. Wir dürfen es nicht passiv über uns ergehen lassen.

Unsere schon zuvor »verweichlichte, dekadente und wehrlose« Gesellschaft (Anthony Daniels) wurde durch die künstlich erzeugte Angst der schweigenden Mehrheit sowie durch die Aggressivität und die radikalen Ambitionen der Exponenten des modernen Progressivismus zusätzlich geschwächt. Dieser »Ismus« ist das Produkt einer Mutation alter sozialistischer Ideen durch Adaption neuer progressivistischer Positionen des modischen Ökologismus, des gewalttätigen Genderismus, des Klimaalarmismus, des utopischen Egalitarismus, des Multikulturalismus, des Globalismus und des Europäismus. Ich würde auch noch den relativ neuen Begriff Covidismus hinzufügen.

Wer sich intensiv mit gesellschaftlichen Phänomenen beschäftigt hat, der weiß, da all diese »Ismen« gar nicht so neu sind und daß sie genuin auch nicht viel mit der Corona-Epidemie, mit dem Lock- down-Jahr oder dem Maskenzwang zu tun haben. Wir sind Zeugen einer Fortsetzung und Beschleunigung bereits länger wirkender Tendenzen. Im Januar 2020, also vor eineinhalb Jahren, sprach ich auf einer Konferenz in Wien (»Braucht die Gesellschaft die Digitalisierung?«, 28. Januar 2020) über die wachsende soziale Isolation des Einzelnen und über die zunehmenden Tendenzen der Exklusion und der Verarmung persönlicher Beziehungen. Das war vor Covid.

Durch die Digitalisierung und ihre Folgen für die Demokratie hat sich diese Entwicklung noch verschärft. Chinas Sozialkredit- System führt zur Extremversion einer digitalen Gesellschaft. Wir sehen sie kommen, allerdings nicht nur in China. Unnötiger und gefährlicherweise konzentriert die Digitalisierung riesige Daten- mengen in unbekannten, unkontrollierten und unkontrollierbaren Händen. Sie trägt auch dazu bei, »eine sekundäre Realität zu schaffen, welche die primäre Realität« unseres Lebens immer mehr verdrängt. Dies scheint unaufhaltsam und unumkehrbar zu sein, und wir müssen es ganz genau betrachten. Es handelt sich um eine Bedrohung – und nicht etwa um ein positives Symptom der Moderne, als das es fälschlicherweise oft interpretiert wird.

Einige von uns – und ich bin überzeugt, in Polen mehr als in der Tschechischen Republik – haben Angst vor einer entleerten Welt ohne Nation und Religion. Aus Ihrer konkreten Erfahrung wissen Sie, daß sich diese beiden traditionellen Säulen der polnischen Gesellschaft als absolut unersetzlich und wesentlich für die rasche öffentliche Erholung nach der kommunistischen Ära erwiesen haben. Das postmoderne progressivistische Projekt der supranationalen Regierungen und der libertären Predigt von Unordnung und Anarchie ist ein gefährlicher Rückschritt.

Gestatten Sie mir bitte ein paar Worte über das progressivistische Projekt der supranationalen Regierungen, das in diesen Tagen in Europa so radikal verwirklicht wird. Der europäische Integrationsprozeß (»integration process«), der nach dem Zweiten Weltkrieg fast unschuldig begann, hat sich in einen europäischen Einigungsprozeß (»unification process«) verwandelt. Sowohl der Vertrag von Maastricht als auch der Vertrag von Lissabon machten aus dem ursprünglichen Konzept der Integration, das auf eine verbesserte und vertiefte Zusammenarbeit souveräner Staaten zielte, etwas anderes, eine transnationale Unifizierung. Beide Verträge vergrößerten die Macht der bürokratischen Zentralbehörde in Brüssel erheblich. Sie trugen da bei, die Demoratie zu unterdrücken und in eine Postdemokratie zu verwandeln, die irreführenderweise als liberale Demokratie bezeichnet wird.

Auf diese Weise hat sich Europa von einem historisch gewachsenen Bündel souveräner und unabhängiger Länder zu dem sehr autoritär und zentralistisch geführten Imperium namens Europäische Union gewandelt. Der freundliche, aber unschuldige und naive Slogan aus der Zeit der Samtenen Revolution »Zurück nach Europa« erwies sich als ziemlich problematisch. Ich war der erste tschechische Politiker, der versucht hat, meinen Landsleuten zu sagen, daß »›zurück nach Europa‹ etwas anderes bedeutet als ›Avanti (vorwärts) in die Europäische Union‹«, aber meine Stimme reichte nicht aus.

Viele Europäer begreifen zu meinem großen Bedauern diesen Unterschied bis heute nicht. Die europäischen politischen Eliten, die unkritischen Bewunderer der EU in Politik, Medien und Wissenschaft sowie die riesige und ständig wachsende EU-Nomenklatura betrachten beide Begriffe – »Europa« und »Europäische Union« – als völlig gleichbedeutend. Das wundert mich nicht. Sie haben ein ureigenes Interesse daran, so zu tun, als ob Europa und die EU identisch wären. Sie wollen Europa besitzen. Sie wollen als die wahren Erben aller europäischen historischen Ereignisse und Errungenschaften anerkannt werden. Diesem Denken sollten sich alle europäischen Demokraten widersetzen. Sie wissen doch wohl, daß Europa ein historisch gewachsenes kulturelles und zivilisatorisches Gebilde ist, die EU dagegen ein von Menschen geschaffenes Konstrukt. Trotzdem ist sie durchaus flexibel und variabel. Jeder EU-Gipfel definiert die Substanz der EU neu – der eine nur am Rande, der andere fundamental. Aber alle Veränderungen weisen in dieselbe Richtung. Der bekannte Sperriegeleffekt funktioniert hier ebenso gut wie in vielen anderen Bereichen: Jeder Vertrag und jeder Gipfel ist ein weiterer Schritt Europas auf dem Weg zu einem europäischen Zentralstaat.

Ich dagegen bin davon überzeugt, daß der Nationalstaat der exklusive und unersetzliche Lebensraum der Demokratie ist – und auch ihr einziger Garant, weil der Staat eine politische Gemeinschaft abbildet. Europa ist keine politische Gemeinschaft. Die politischen Gemeinschaften Europas sind die Nationalstaaten. Wirsind Tschechen, Polen und Slowaken. Wir sprechen tschechisch, polnisch und slowakisch, kein europäisches Esperanto. Wir wollen nicht unsere Grenzen auslöschen und den Unterschied zwischen einem Bürger und einem Ausländer aufheben. Manche von uns fühlen sich, mit Barack Obama gesprochen, weder als Weltbürger noch als Bürger Europas.

Kommen wir zurück auf die Weltlage. Ich bin kein Experte für geopolitische Fragen. Ich verfüge über keine Theorie, die mir einen  entsprechenden Kompaß an die Hand geben würde; deshalb nur eine kurze Bemerkung. Ich stimme der Diagnose von Edwin Feulner, dem Gründer und langjährigen Präsidenten der Heritage Foundation, zu, daß wir uns mitten in einem neuen Kalten Krieg befinden. Aber diesmal, sagt Feulner, wird der Kampf intern geführt. Ich fürchte, daß ein solcher Kampf mehr Unheil anrichtet, weil er bedeutet, daß wir gegen uns selbst kämpfen. Einige unserer Mitbürger scheinen bereit zu sein, persönliche Freiheiten aufzugeben und Regierungsformen zu akzeptieren, die denen des Kommunismus ähneln. Sie bereiten sich auf den Great Reset vor, der zur Reinkarnation des Kommunismus unter einem neuen Banner führen würde.

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß es in unseren aktuellen Debatten nicht um unsere Ansichten über das Coronavirus geht, sondern um unsere Ansichten über die menschliche Freiheit und die Substanz unserer Gesellschaften. Wir, die Tschechen und die Polen, wurden gegen die kommunistische Propaganda geimpft und sollten auch gegen die Varianten dieses Virustyps immun sein. Ich wünschte jedenfalls, daß es so wäre, denn es ist notwendig, sich zu wehren und Widerstand dagegen zu leisten, daß die Grundwerte unserer Gesellschaften erschüttert werden.

Václav Klaus, Magazine CATO, eine Rede auf der Inaugurationskonferenz des Collegium Intermarium in Warschau am 28. Mai 2021.AutorisierteÜbersetzung der Rede aus dem Englischen von Andreas Lombard.

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