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Europa braucht eine politische Wende!

Deutsche Seiten, 21. 7. 2017

Sehr geehrte Damen und Herren,

vielen Dank für Ihre Einladung und für die Gelegenheit, ihre Stadt wieder einmal besuchen zu können. Hier in Frankfurt habe ich bereits mehrmals gesprochen. Vor drei Jahren war es hier mein erstes Treffen mit AfD.

Damals war es noch die alte AfD. Das Hauptthema des Treffens war Euro. Alles war sehr hoffnungsvoll. In dem folgenden Jahr habe ich aber mit Befürchtungen die Spaltung ihrer Partei verfolgt. Im letzten Jahr kam der neue Höhepunkt der AfD (mit sehr guten Ergebnissen in mehreren Landtagswahlen), aber in diesem Jahr sieht es mit den Wahlen nicht so gut aus. Man muss auch die – für Ihre Wähler bestimmt beunruhigenden – Veränderungen an der AfD Spitze erwähnen. Die AfD braucht besonders in diesem Moment die Einheit – nur einheitlich können Sie dem wachsenden Druck des deutschen politischen Establishments widerstehen.

In der letzten Zeit wurde ich relativ oft nach Deutschland zum Reden eingeladen, zum Reden über die AfD, über die Massenmigration, über die durchaus negativen Erfahrungen Europas mit Euro und mit Schengen, über die falsche „Europäisierung“ Europas, über die De-Demokratisierung und De-Nationalisierung unseres Kontinents, über die Entwicklungen, die uns mehr und mehr zurück in die Vergangenheit führen. Das muss ich näher erklären. Wenn ich über die Vergangenheit spreche, meine ich die Vergangenheit, die ich in der kommunistischen Zeit erlebt habe. Mit dieser Erfahrung und mit der damit verbundenen Überempfindlichkeit schaue ich jetzt um mir herum. Die heutige Realität in meinem Land, in Deutschland und in Europa finde ich als eine wichtige Warnung.

Ich weiß, dass Sie hier in Deutschland vor wichtigen Wahlen stehen. Wir in der Tschechischen Republik auch. Lange Zeit hatte ich das Gefühl (und die optimistische Hoffnung), dass die diesjährigen Wahlen in Deutschland zum ersten Mal nach den langen Jahrzehnten endlich echte Wahlen sein werden. Dass die Wahlen einen Streit über die Hauptthemen der heutigen deutschen und europäischen Gesellschaft, einen Streit zwischen dem arroganten  politischen Establishment und den normalen Menschen, ermöglichen werden. Ich habe auf Wahlen gehofft, die eine Wende und einen Ausstieg aus der Sackgasse versprechen werden, in der wir uns seit langer Zeit befinden. Das war leider meine falsche, zu sehr optimistische Hoffnung gewesen.

In dem letzten Jahr – im Jahr des Brexits und des Trumps Sieges – waren einige von uns zu euphorisch. Zurzeit, nach diesjährigen Wahlen und Volksabstimmungen in manchen europäischen Ländern, bin ich nicht so optimistisch. Die Niederlagen in Österreich, in Holland, und in Frankreich sollten uns warnen. Besonders Frankreich verfolge ich mit großer Sorge. Der neue französische Präsident Macron ist ein unbeschriebenes Blatt, eine tabula rasa, welche man mit allen möglichen Inhalt füllen kann. Das finde ich schlimmer als ein gut bekanntes Übel. Er ist nicht müde, er ist nicht verbraucht und auch noch nicht faul. Er verbreitet alte Ideen – aber mit Elan und Agilität. Das ist gefährlich. Phänomen Macron passt perfekt in den gegenwärtigen Westen. Er ist ein Produkt der französischen politischen Szene. Wenn keine starken und festen Ideen vorhanden sind, gibt es nur die gefährliche Flachheit. Er bringt nichts Neues, nur den Eiffelturm im Hintergrund.

Wie ich sagte, die Position der AfD sieht nicht so gut aus wie vor einem Jahr. Die unglaubliche und total unverantwortliche Dämonisierung (oder Verteufelung) Ihrer Partei ist ohne Zweifel der fundamentale Teil des Problems. Aber nur ein Teil. Ein anderer Teil ist die AfD selbst. Sie müssen allen Fehlern ausweichen und die innere Konsistenz ihrer Partei erhalten. Als Gründer und langjähriger Vorsitzender einer ähnlichen Partei könnte ich euch ein paar Ratschläge geben, aber das darf ich mir nicht herausnehmen. Ich bin kein Insider, ich sehe die Situation in Deutschland nur aus dem Ausland, ich verfolge sie nicht täglich.

Ich bin sehr frustriert, dass es den deutschen politischen Eliten – mit Hilfe von der Schwäche der deutschen Opposition – gelungen ist, die dies jährlichen Wahlen als einen Quasi-Streit zwischen Frau Merkel und Herrn Schulz zu inszenieren, als einen fiktiven Streit, der die heutige Situation in Deutschland für die weiteren Jahre leider sicherstellen wird.

Zu Hause bin ich in den Medien immer wieder gefragt worden, warum ich in der letzten Zeit in Deutschland so oft rede. Meine Antwort ist relativ einfach: Deutschland ist – aus meiner Sicht – das heutige Schlachtfeld Europas. Es ist hier in Deutschland und nicht in den anderen Ländern Europas, wo das heutige europäische Dilemma, der heutige Konflikt über die Zukunft Europas gelöst wird – oder auch nicht. Ich bin mir nur nicht ganz sicher, ob die Deutschen Ihre heutige Rolle und Verantwortung in aller Breite, Tiefe und Wichtigkeit sehen und ob sie sich damit mit voller Aufmerksamkeit beschäftigen. Ob sie fähig sind, die enorme Manipulation und Indoktrinierung, die die heutigen europäischen politischen Eliten vor unseren Augen verwirklichen, zu durchschauen.

Man kann heute ohne Übertreibung über einen Krieg in Europa sprechen. Die Schlachtformationen, die auf beiden Seiten auftreten, sind uns allen gut bekannt: auf der einen Seite, und das ist meine Seite, steht Freiheit, Demokratie, traditionelle Familie und das gewöhnliche, in der Geschichte bewährte, menschliche Benehmen, Souveränität der europäischen Nationalstaaten, Patriotismus, Auslandsreisen und Auslandsaufenthalte statt Migration. Diese Seite ist relativ still, friedlich, höflich und zur Diskussion bereit.

Auf der anderen steht politische Korrektheit, Multikulturalismus und Humanrightismus, Feminismus, Genderismus und die Aggressivität des Homosexualismus, Massenmigration, Frau Merkel, die Herren Juncker und Schulz, nicht freiwillige und nicht spontane Unifizierung, Zentralisierung, Harmonisierung und Standardisierung Europas, Kontinentalismus, und der Kulturmarxismus der Frankfurter Schule. Diese Seite ist arrogant, aggressiv und monologisch. Leider hat sie lautere Sprachrohre und stärkere Artillerie zur Verfügung.

Diese stilisierte Beschreibung ist von mir keine absichtliche Karikatur oder Verflachung der heutigen europäischen Situation. So übersichtlich sind die Karten in Europa heute verteilt. Wir sollten nie zulassen, dass diese Klarheit und Übersichtlichkeit vernebelt werden.

Für uns, für die tschechischen und deutschen Demokraten, bleiben nur die Argumente. Die sind aber zur Zeit nicht einfach zu präsentieren. Das freie Denken wird immer mehr unterdrückt. Die Debatte, die in den Medien und in der Politik stattfindet, ist nicht repräsentativ. Die Propaganda regiert. Ich stimme völlig mit dem Titel eines unlängst veröffentlichten Artikels in NZZ überein: Denkverbote statt Debatte. Der Autor dieses Artikels spricht sogar über die „Friedhofsruhe“ und über das dominierende „Moralisieren und Tabuieren“. In meiner Lebensgeschichte habe ich es schon mal erlebt. Es war in den kommunistischen Zeiten.

Zu meinem Bedauern sehen manche Europäer die Schicksalshaftigkeit und die Dringlichkeit des heutigen historischen Momentes nicht. Sie interpretieren die Situation in Europa anders als die Menschen, die heute Abend hier sind und die der gefährliche Name Václav Klaus nicht schreckt. Ich bin kein Feind Europas, ich bin nur der Feind der Menschen, die die Europäische Union, die europäische Integration in der heutigen Form darstellen, verteidigen und weiter de-demokratisieren.

Man kann das europäische Thema aus vielen Ecken anschneiden. Als ein Volkswirt, habe ich lange Zeit meistens über die ökonomischen Themen gesprochen. Es ist nicht mehr so. Die wirtschaftlichen Probleme sind zwar größer und größer geworden, trotzdem ist die traditionelle sozial-ökonomische Debatte in Europa passé. Die Sozialisten, die heute in allen Parteien zerstreut und überrepräsentiert sind, haben die Debatte gewonnen. Die Wirtschaft ist mehr und mehr etatisiert, dass heißt unterdrückt. Auch der Streit über die so genannte globale Erwärmung gehört in Europa der Vergangenheit. Trotz der „Klimapause“ (18 Jahre gab es keine Erhöhung der globalen Temperatur) haben die Klimaalarmisten diesen Streit definitiv gewonnen – mit allen gut bekannten negativen Konsequenzen für die Freiheit und Prosperität. Die mutige Entscheidung von Donald Trump vor ein paar Wochen sollten die europäischen Demokraten als eine wichtige Ermutigung wahrnehmen.

In den letzten Jahren ist in Europa leider ein neues und viel wichtigeres Thema aufgetaucht: wir sind Zeuge der durchgehenden Umgestaltung der europäischen Gesellschaft, vielleicht besser gesagt, der allmählichen Liquidierung der europäischen Kultur, Traditionen und Werte, und der dafür als Instrument benützten Massenmigration. Vor ein paar Wochen habe ich einen 27 Jahre altes Essay von Umberto Eco gelesen. Schon im Jahre 1990 warnte er, dass „die Migration die ethnische Umgestaltung der europäischen Länder, die unvorstellbare Änderung der Sitten und des Benehmens, eine unaufhaltsame Hybridisierung der Menschen als Folge haben wird.“ Das waren warnende Worte, die damals niemand hören wollte.

Zu diesem Thema habe ich nicht nur Reden gehalten oder Aufsätze geschrieben. Zusammen mit meinem langfristigen Kollegen Jiří Weigl haben wir zu der heutigen Migrationskrise in Europa ein kleines Buch – mit dem Titel „Völkerwanderung“[1] – zusammengefasst. Dieses Buch steht in der heutigen Ideenschlacht völlig auf der Seite der Freiheit und nicht auf der Seite des Moralismus, des Multikulturalismus und des linken Etatismus.

Dieses kleine, kurze und ursprünglich auf Tschechisch geschriebene Buch kann man hier in der deutschen Sprache bekommen. Das Buch existiert heute schon auch auf Englisch, Französisch, Schwedisch, Russisch und Flämisch.

Die Hauptbotschaft des Buches ist klar, direkt und unmittelbar: die heutige Massenmigration, und ihre weitgehenden negativen Konsequenzen für die Zukunft der europäischen Gesellschaft, haben nicht die Migranten, sondern die europäischen Politiker – an der Spitze mit deutschen Politikern – verursacht. Gerade das muss man, besonders hier in Deutschland, laut sagen.

Ich weiß, dass diese Behauptung ein politisch sehr unkorrektes Statement darstellt. In Ihrem Land ist sie unkorrekter als in meinem. Bei uns sind solche Ansichten nicht so weit von dem politischen und medialen Mainstream entfernt wie bei Ihnen.

Viele von uns wissen, dass das Problem der heutigen Zeit nicht das Mitleid, Barmherzigkeit und Solidarität, oder Gleichgültigkeit, Egoismus und die uralte Kleinbürgerei ist. Das heutige Thema ist unsere Zukunft.

Die Mehrheit der europäischen und besonders deutschen Spitzenpolitiker wollen es nicht zugeben. Mit ihrem Glauben an die durchaus wohltuenden Effekte der unbegrenzten Verschiedenheit der Menschen für eine zusammenlebende Volksgemeinschaft und mit ihrem Glauben an die vollkommen positiven und bereichernden Einwirkungen der Migranten, ihrer Ideen, ihrer Religion, ihrer Benehmensmuster haben die europäischen Politiker die Migranten schon seit langer Zeit implizit, aber in der letzten Zeit auch explizit eingeladen. Nur deshalb sind die Migranten da.

Diese Politiker glauben wahrscheinlich aufrichtig an die Ideologie des Multikulturalismus, was aber schwer zu begreifen ist. Wollen sie wirklich aus den heutigen Migranten einen neuen europäischen Menschen, den homo bruxelarum, erschaffen? Ich habe Angst, dass es leider so ist.

Die heutige Massenmigration, die ich – glaube ich berechtigt – Völkerwanderung nenne, habe ich schon lange Zeit als Bedrohung der europäischen Zivilisation und Kultur, als Bedrohung der Freiheit und Demokratie, und nicht zuletzt als Bedrohung der europäischen Prosperität bezeichnet.

Die Massenmigration habe ich als eine gefährliche Beschädigung unseres Lebens, unserer Lebensqualität, unserer Traditionen und Gewohnheiten betrachtet. Gerade das finde ich das Wichtigste und Gefährlichste. Deshalb habe ich nie die einfache und billige Karte des Kampfes mit dem Terrorismus gespielt. Damit wollte ich sagen, dass ich das heutige Problem Europas nie auf dieses Thema reduziert habe. Ich dachte immer – und denke auch heute noch – dass die Fortsetzung der Massenmigration anderer Kulturen und Zivilisationen Europa auch ohne Terrorismus vernichten wird. Jetzt beginnt es fast für alle klar und evident zu sein – leider nicht für Ihre Bundeskanzlerin – dass die heutige Terrorismuswelle ein unvermeidlicher Bestandteil der Massenmigration ist.

Die heutige Terrorismuswelle wird – hoffentlich – auch den Menschen, die sich mit öffentlichen Angelegenheiten nicht oder nicht genügend befassen, ihre Augen öffnen. Die unglaublichen und schreckerregenden menschlichen Tragödien, die uns fast täglich die Medien bringen, sollten zu der massiven Augenöffnung der „schweigenden Mehrheit“ der europäischen Bevölkerung beitragen. Noch einmal, hoffentlich. Sonst sehe ich keine Zukunft vor uns.

Die europäischen Eliten sehen es nicht. Es war im Frühling dieses Jahres in Rom, im Moment des 60. Jahrestages der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft überzeugend demonstriert. Die veröffentlichte Deklaration, die leider fast niemand gelesen hat, ist nicht zu glauben. Die führenden EU-Repräsentanten bestätigten damit erneut, dass sie von der Realität total entfernt sind. Es war eine Serie von leeren Phrasen, die uns an das ehemalige kommunistische Vokabular erinnern. In der Deklaration gibt es absolut keine Reflexion der heutigen ernsten Probleme der EU. Sie deutet keine, nicht einmal die kleinste Bereitschaft an, über die notwendigen Änderungen zu sprechen. Diesen Text muss ich als eine arrogante Verachtung der menschlichenVernunft der Europäer betrachten. Das dürfen wir nicht akzeptieren.

Wir wissen, dass wir nicht nur Reformen, sondern eine radikale Wende brauchen. Sowas ist für die heutigen EU-Eliten absolut undenkbar. Nicht einmal eine „Perestrojka“ kommt für sie in Frage. Wozu wird es führen? Der Kommunismus dauerte 70 Jahre. Wieviele Jahre wird die EU, das heißt die heutige Version der europäischen Integration, dauern? Wie ich sagte, wir brauchen eine Wende, wir brauchen – in der tschechischen Terminologie – eine Samtrevolution. Als eine Vorstufe dafür müssen Sie die Wahlen in Deutschland gewinnen. Viel Erfolg.

Was sollten die Tschechen tun? Vor einem Monat, nach einer arroganten Bekanntmachung der EU-Spitzen, dass die mitteleuropäischen (oder Visegrad Gruppe) Staaten die vorgeschriebenen Quoten der Migranten aufnehmen müssen, habe ich offiziell verkündet: Wir sollten mit den Vorbereitungen zum Verlassen der EU anfangen. Das ist, glaube ich, eine vernünftige Antwort darauf und für Heute mein letzter Satz.

Václav Klaus, Saalbau Südbahnhof, Frankfurt, 21. Juli 2017.



[1] Klaus, V., Weigl, J., Manuscriptum Verlagsbuchhandlung, Berlin, 2016.

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