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Der Zeichenblock des Ökonomen

Deutsche Seiten, 20. 12. 2000

Kps. PRAG, 19. Dezember. Václav Klaus, tschechischer Parlamentspräsident und Vorsitzender der Demokratischen Bürgerpartei (ODS), sieht sich durch Verlauf und Ergebnisse des EU-Gipfels von Nizza in dem bestätigt, „was ich immer schon wußte“, nämlich „daß nicht das Ziel eines europäischen Superstaates, sondern die  Interessen der Staaten und der Nationen den Ausgangspunkt der Integration darstellen“. Von den in Nizza aufgebrochenen Gegensätzen sei er daher auch nicht überrascht worden, sagte Klaus im Gespräch mit dieser Zeitung, sie entsprächen den unterschiedlichen Interessen der beteiligten Länder. Die forcierte Integrationspolitik der EU habe in Nizza notwendigerweise „wie ein Bumerang“ gewirkt, denn „unvernünftige Bestrebungen“ erzeugten Widerspruch und Widerstand.

Im Urteil des ODS-Vorsitzenden, dem der Ruf eines „Euro-Skeptikers“ voraneilt, bezeichnet  Nizza dennoch keinen Wendepunkt in der europäischen Integration, sondern – „ich sage: leider“ – „nur eine Verlangsamung des europäischen Vereinheitlichungssprogramms“. Er fürchte, daß die Integration bereits die „kritische Masse“ erreicht habe und damit eine Eigendynamik entwickle, die sich nicht mehr bremsen lasse. Es gebe kein ausreichendes Gegengewicht zur  Gruppe der EU-Bürokraten, die sowohl von der Vertiefung wie von der Erweiterung der Union am meisten profitiere. Diese Fehlentwicklung bedauere er. Gleichzeitig aber gebe es für ein Land wie die Tschechische Republik auch keine Alternative zur EU-Mitgliedschaft. Er sehe daher überhaupt keinen Widerspruch darin, einerseits den Fortgang des Integrationsprozesses zu kritisieren, andererseits vehement für den Beitritt zur Gemeinschaft einzutreten.

Um die „konsistente Haltung“ seiner Partei zu verdeutlichen, erinnert Klaus daran, wie sich die ODS bei den Wahlen zu den regionalen Gebietskörperschaften in der Tschechischen Republik verhalten hat. „Wir waren immer der Meinung, daß die Regionalisierung in einem Land von der Größe der Tschechischen Republik nicht nur sinnlos und teuer, sondern auch gefährlich ist. Die ODS hatte im Parlament gegen die Einrichtung dieser künstlichen Kreise gestimmt. Dennoch haben wir uns an den Kreiswahlen beteiligt und diese auch gewonnen. Eine Sache ist, ob man mit einer Entwicklung zufrieden ist, eine andere, ob man sich ihr entziehen kann.“

Nicht sehr viel anders stünden die Dinge bei der Einführung des Euro. Es handle sich dabei um einen eklatanten Fall von „Etikettenschwindel“: Man habe die Währungsunion zum Ziel erhoben, ohne zu sagen, daß sie nur eine Zwischenstation auf einem Weg sein könne, der über die Fiskalunion in die  politische Union führe - und mit letzterer, sagte Klaus, „habe ich Probleme“. Er sei überzeugt davon, daß die Bedingungen für eine „optimum currency area“, für ein optimales Währungsgebiet in der EU nicht gegeben seien. Aber auch hier habe die Tschechische Republik keine andere Wahl. 42 Prozent der tschechischen Exporte gingen heute bereits nach Deutschland, also mehr oder weniger so viele wie einst in die Sowjetunion. „Wir gehören heute zum deutschen Wirtschaftraum wie Österreich und Holland in den 80er Jahren“, sagte Klaus, denn die tschechische Krone sei nun auf ähnliche Weise an die Mark und damit an den Euro gebunden wie früher der Schilling und der Gulden.  Die Tschechische Republik habe also gar keine andere Chance, als ein „normales europäisches Land“ zu werden, mit allem was dazu gehört, positiv wie negativ.

Die Frage sei lediglich, wann sich dieser Beitritt vollziehe. Der Ökonom Klaus nimmt einen Zeichenblock und skizziert mit ein paar schnellen Strichen ein Koordinatensystem, um die „benefits“ (Vorteile) der Ost-Erweiterung für die EU-Mitgliedsländer und die Kandidatenländer zu verdeutlichen. Bei den Mitgliedsländern steigt diese Kurve entlang der Zeitachse beginnend mit 1990 stark an und verflacht sich Ende der 90er Jahre. Die Mitgliedsländer, sagt Klaus, haben bisher schon nahezu alle Vorteile „unserer Öffnung der Märkte, unserer Liberalisierung und unserer Assoziierung“ erhalten, der zusätzliche Nutzen des Beitritts der Kandidatenländer könne für sie nur noch gering ausfallen. Diese „benefits“ seien übrigens keineswegs  nur ökonomischer Natur, sondern müßten umfassend gesehen werden, auch politisch und kulturell. Der Aufenthalt ausländischer Zeitungskorrespondenten in Prag zähle ebenso dazu wie jener ausländischer Geschäftsleute und Investoren oder die Nutzung der böhmischen Städte durch Touristen. „Sie sind ja alle schon längst da, und das ist auch gut so.“

Anders ist der Verlauf der Kurve der „benefits“ für die Kandidatenländer: Sie setzt 1990 zunächst sehr flach an und steigt erst gegen Ende der 90er Jahre stärker an. Klaus zieht sie mit noch kräftigerer Steigung über das Jahr 2000 hinaus fort: „Sie sehen, ich bin in tieferem Sinne durchaus ein Euro-Optimist“. Gerade um das Jahr 2000 aber ist der Abstand zwischen den beiden Kurven am größten. Die Kandidatenländer hätten von der Ost-Erweiterung viel, die Mitgliedsländer der EU nur noch wenig zu erwarten - Klaus spricht bewußt von Mitgliedsländern und nicht von der EU, die, abgesehen von den Sonderinteressen der EU-Bürokratie, keine eigenen Interessen habe. Mit diesen beiden Kurven, sagt Klaus, sei die unterschiedliche Interessenlage „wissenschaftlich“ dargelegt, und auf die Wirklichkeit der Interessen komme es schließlich an, nicht auf die europäische Rhetorik. Wann, fragt er, werde sich der Beitritt nun wohl ereignen: vor, am oder nach dem Schnittpunkt der beiden Kurven?

Von einer verstärkten regionalen Kooperation der Kandidatenländer im Rahmen der Visegrád-Gruppe (Polen, Slowakei, Ungarn, Tschechische Republik), um ihnen gegenüber der EU mehr Gewicht zu verleihen, hält Klaus so viel wie eh und je, nämlich gar nichts. Klaus war immer schon ein entschiedener Visegrád-Verächter und ist es auch heute noch. Es sei eine Illusion zu hoffen, daß sich die Tore der EU schneller öffnen würden, wenn man nur lauter klopfe. Die zahlreichen Treffen der Visegrád-Ministerpräsidenten seien Zeitvergeudung. Schlimmer noch: Man schließe sich da freiwilig in einem „Klub der Armen“ zusammen, ohne die Folgen zu bedenken. Auf diese Gefahr habe er schon vor zehn Jahren hingewiesen. Es sei schade, daß die Ministerpräsidenten dies bis heute nicht verstanden hätten.

Karl-Petera Schwarze, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.12.2000

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