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Sprung in die Dunkelheit

Deutsche Seiten, 23. 5. 2005

Tschechiens Präsident Vaclav Klaus lehnt mehr Kompetenzen für Brüssel strikt ab. In der EU-Verfassung sieht er eine Gefahr für die Demokratie

FOCUS: In Frankreich, einem Kernland der europäischen Integration, steht das Referendum zur EU-Verfassung auf der Kippe. Verschafft Ihnen das als EU-Kritiker Genugtuung?

Klaus: Ich bin ganz sicher, dass es Kritik an dieser unnötigen EU-Verfassung in allen Ländern gibt. In allen Schichten der Bevölkerung. Nur die politische Klase hat ganz andere Positionen. Die Distanz zwischen der politischen Elite und der Bevölkerung war noch nie so groß in den vergangenen Jahrzehnten. Bei uns war das zuletzt wahrscheinlich in kommunistischen Zeiten der Fall. Ich interpretiere die heutige Situation als ein Zeichen von Irrationalität.

FOCUS: Wie wird der Ausgang des Referendums in Frankreich am 29.Mai die Abstimmung in Tschechien beeinflussen? Werden Sie Ihren Landsleuten in jedem Fall ein Nein empfehlen?

Klaus: Die Tschechen warten nicht auf die Ergebnisse eines Referendums irgendwo im Ausland. Im Übrigen sind die Launen und die Position der Franzosen für die weitere Entwicklung der EU sehr wichtig. Ein Nein wird Folgen haben …

FOKUS: Das Ende der EU, die Krise der Integration …?

Klaus: Das ist Quatsch. Das sagen so nur die EU-Naivisten. Die Panik verbreiten Leute, die uns zwingen wollen, ja zu sagen. Überhaupt nichts wird geschehen. Am Morgen danach werden die Leute zufrieden weiter spazieren gehen. In Prag, in München und in Lyon.

FOCUS: Die EU wird aber bei einem Nein erst mal ohne Verfassung sein.

Klaus: Die EU besteht in verschiedenen Ausformungen seit fast 50 Jahren und immer ohne Verfassung.

FOCUS: Wenn sie so unbedeutend ist, verstehen wir Ihre Abneigung gegen sie nicht.

Klaus: Die Verfassung ist nicht unwichtig. Sie ist en Versuch, die europäische Einigung zu beschleunigen und zu vertiefen. Unwichtig ist sie für das alltägliche Funktionieren der Gemeinschaft. Hoffentlich zeigt ein Nein, dass es nicht eine marxistische Notwendigkeit und dialektische Logik gibt, immer weiter in Richtung europäische Integration gehen zu müssen.

FOCUS: Aber über 60 Prozent der Tschechen sind laut einer Eurobarometer-Umfrage für die Verfassung.

Klaus: Wir haben auch andere Umfragen. Ich bin doch keiner, der die tschechische Bevölkerung irgendwohin drängt. Im Übrigen heißt das doch, dass 40 Prozent anders denken. Das ist ja nicht wenig. Es zeigt, dass beide Positionen legitim sind. Leider behaupten die EU-Anhänger, nur eine Position sei legitim. Die Menschen aus den früheren kommunistischen Ländern wissen, wie tragisch eine solche Position ist.

FOCUS: Warum gibt es gerade in Tschechien relativ viele EU-Skeptiker?

Klaus: Für uns war der EU-Beitritt keine Bestätigung unseres Europäertums. Wir brauchen diesen Stempel, diese Bestätigung nicht. Bei Ländern weiter östlich oder südlich von uns ist das anders. Die Karlsbrücke ist so europäisch wie das Antiquarium in München.

FOCUS: Was heißt denn für Sie Europa? Im Moment wird viel über europäische Werte diskutiert.

Klaus: Die heutige Debatte in der EU über die europäische Verfassung hat mit Europa nichts zu tun. Das muss ich hundertmal betonen. Niemand hat einen Schlüssel zu Europa. Den wollen die Euro-Kommissare haben. Aber wir Europäer sollten diesen Leuten die Schlüssel nie, nie geben.

FOCUS: Von der Brüsseler Bürokratie sind viele nicht angetan.

Klaus:
Die Brüsseler Bürokratie ist nicht so relevant. Sie zu kritisieren ist einfach, billig und erlaubt. Das ist die billigste Kritik, das ist unter meiner Würde. Das machen die Andersen, die ja zur europäischen Verfassung sagen. Aber da liegt nicht das Problem.

FOCUS: Das Problem liegt Ihnen zufolge im Dirigismus, im Zentralismus, im Superstaat…

Klaus: Ich kritisiere den Übergang in eine postdemokratische Gesellschaft. Ohne Staat kann man keine Demokratie haben. Ich sehe es als eine Bedrohung für die Freiheit der Berger Europas an, wenn die Kompetenzen der Staaten an die EU gehen. Jetzt haben wir einen Sprung in die Dunkelheit gemacht, den Sprung vom Intergovernmentalismus (Zwischenstaatlichkeit) zum Supranationalismus.

FOCUS: In Deutschland diskutieren wir gerade über Dumpinglöhne in Ost-europa. Berlin will den Arbeitsmarkt vor Billigarbeitskräften schützen. Vereinbart sich das mit dem freien Fluss von Waren, Dienstleistungen und Arbeitskräften?

Klaus: Wer das Wort Dumpinglöhne benützt, versteht nichts von Volkswirtschaft. Das ist ein politischer Kampfbegriff. Das Wort Dumping hat in der Volkswirtschaftslehre immer mit der absichtlichen Senkung von Preisen zu tun. Die Löhne in Prag, Bratislava oder Warschau sind aber wirkliche Löhne, die Nachfrage, Angebot, Steuren und zig andere Faktoren widerspiegeln.. Als Finanzminister habe ich Lohnregulierungen per Gesetz verboten. Das Lohnniveau bei uns ist nicht Ergebnis von Staatsintervention, und das müssen die Deutschen verstehen, sonst ist es wirklich ein Problem für uns alle.

FOCUS: In Deutschland kämpft man um das Modell der sozialen Marktwirtschaft. Kann es reformiert werden?

Klaus: Man kann nie eine Wirtschaft schaffen mit dem Wort social am Anfang. Das heißt nicht, dass ich die soziale Seite der Wirtschaft ablehne. Ich bin immer bereit zu einer Marktwirtschaft mit vernünftiger, rationaler Sozialpolitik. Soziale Politik nicht als Bestandteil der Marktwirtschaft, sondern als Ergänzung.

FOCUS: Aus der Lohnpolitik hält sich der tschechische Staat heraus, aber nicht aus der Steuerpolitik. Ein Vorwurf der alten EU lautet, die neuen EU-Mitglieder betrieben Steuerdumping und lockten so die Westunternehmen an.

Klaus: Das Steuerniveau ist ein Spiegelbild der Höhe der Staatsausgaben, zum Beispiel der sozialen Ausgaben. Verschiedene Länder haben verschiedene sozialpolitische Ambitionen. Und wenn die Deutschen sehr hohe Ambitionen haben, dann müssen sie höhere Steuern haben. Steuern sind eine Variable, die jedes Land selbst wählt. Unsere Steuern hier in der Tschechischen Republik sind leider noch zu hoch. Wir brauchen niedrigere Steuern, um in der heutigen Welt zu überleben.

FOCUS: Die Unternehmenssteuer in Tschechien beträgt 26 Prozent, die Slowakei hat eine Einheitssteuer von 19 Prozent. Ist das ein Modell, das Sie auch befürworten würden?

Klaus: Vor fast zehn Jahren habe ich mit der Idee der Flat Tax meine Wahlkampagne geführt. Ich war der Erste in Mittel- und Osteuropa, der sie aufgebracht hat. Leider hatten wir bei uns seitdem keine Mehrheit, um dieses Steuersystem einzuführen.

FOCUS: Wir nehmen an, Sie sind gegen jede Steuerharmonisierung in der EU.

Klaus: Nur über meine Leiche.

FOCUS: Sie wenden sich auch gegen eine europäische Außenpolitik. Wie soll Europa politisch handlungsfähig sein, gerade im Vergleich zu zentralisierten Ländern wie China oder den USA?

Klaus: Warum sollte Europa politisch handlungsfähig sein? Europa hat keinen Demos, kein politisches Volk. Deutschland hat ein politisches Volk, und es dauerte viele Jahre, ein deutsches Volk zu schaffen. Europa ist keine politische Einheit. Deshalb ist es logisch, dass Europa keine Außenpolitik haben kann. Überlegungen, Europa als Kontinent gegen andere Kontinente kämpfen zu lassen, sind von orwellschen Dimensionen.

FOCUS: Stattdessen sollte es Interessenkoalitionen von Fall zu Fall geben?

Klaus: Wenn wir in Teilthemen gemeinsame Positionen haben – perfekt. Aber was Sie meinen, ist, a priori eine gemeinsame Position Europas zu deklarieren, ohne über einzelne Interessen zu diskutieren. Das ist für mich der gefährlichste Schritt der europäischen Geschichte. Das führt zum Ende Europas.

FOCUS: Zwischen Deutschland und Tschechien gibt es eine lange Diskussion über die Vergangenheit, zwischen Russland und Tschechien nicht. Haben Sie mit Wladimir Putin jemals über den Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen in die Tschechoslowakei gesprochen?

Klaus: Für uns ist der Einmarsch 1968 eines der wichtigsten Themen unserer modernen Geschichte. Aber das ist keine Frage von Entschuldigungen. Für mich bedeutete er damals das Ende meiner Kariere. Ich war ein junger, hoffnungsvoller Volkswirt, der eine akademische Laufbahn vor sich hatte. Dann war ich plötzlich der führende Anti-Marxist und wurde aus der Akademie geworfen. 20 Jahre konnte ich nicht an der Universität lehren. Wir hatten kleine Kinder, ich saß meist zu Hause, weil ich nicht viel zu tun hatte. Ich habe eine zweite Chance bekommen. Aber das war fast ein Zufall.

G. Dometeit, A.Klausmann, Focus, 23.5.2005

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