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Ludwig Erhard und seine Bedeutung für das heutige Europa

Deutsche Seiten, 17. 1. 1997

Der hundertjährige Geburtsjahrestag von Ludwig Erhard ist die gute Gelegenheit zum Nachdenken über seine Bedeutung für unsere Gegenwart. Ich betone das Wort Gegenwart, denn an der Bedeutung seiner Taten für das damalige Nachkriegsdeutschland vor dem halben Jahrhundert zweifle ich nicht im geringsten.

Ludwig Erhard hat seinen Beitrag für das neue Verständnis der Politik im demokratischen System, sowie für die neue Festlegung der ökonomischen und sozialen Rolle des Staates in der Marktwirtschaft geleistet. Die Rolle des Staates, hat er, aufgrund der Traditionen des deutschen Ordo-Liberalismus, als Verteidigung und Durchsetzung der gesamtgesellschaftlichen Interessen gegen die partikulären Interessen der starken und organisierten Gruppen verstanden. Er wußte, daß Demokratie und Marktsystem einen geeigneten Raum und einen allzu „fruchtbaren“ Boden für die Aktivität solcher Gruppen schaffen, und für ihren Druck auf die staatliche Macht, mittels derer sie ihre partikulären Interessen zum Nachteil des Ganzen durchsetzen - zum Nachteil aller Bürger. Die Botschaft der Politik hat er darin gesehen, diesen Gruppeninteressen zu widerstehen, ihnen nicht zu erlauben, daß sie (mit Hilfe des Staatsbudgets) das nationale Produkt zu ihrem Gunsten nachverteilen, daß sie (mittels der Staatsregulierung) die Konkurrenz unterdrücken, den Staat zerlegen und diesen in irgendwelche „neue Feudalitäten“ zerkleinern, was ich für einen außerordentlich fruchtbaren Erhards Termin halte. Nichts war ihm so fremd, wie „korporativer Staat“, mit dem eben Deutschland so ungute Erfahrungen hatte.

Nach dem Kriegsende ist Erhard vor einer nicht einfachen Aufgabe gestanden - eine Vision zu schaffen, die der wirtschaftlichen Nachkriegspolitik eine Richtung und der deutschen Bevölkerung eine Motivierung geben würde. Für diese Vision hat er den Begriff „soziale Marktwirtschaft“ gewählt (ursprünglich von A. Mueller-Armack stammend) - einen Begriff, der sich seit dem in Deutschland und in einigen weiteren Ländern Europas eingelebt hat. Diese Weise, die die liberal Marktprinzipien der individuellen Motivierung und Verantwortung mit der vom Staat garantierten sozialen Solidarität verbindet, (sie geht von der langjährigen deutschen Tradition der sozialen Versicherung aus), hat dem Nachkriegsdeutschland eine beneidenswerte wirtschaftliche Prosperität und soziale und politische Stabilität gebracht. Es war nicht Erhards Schuld, daß seine Vision allmählich gegen das ausgetauscht wurde, was wir heute „Wohlstandsstaat“ nennen. Die soziale Marktwirtschaft wurde nicht so gemeint, daß das Adjektiv „sozial“ das Adjektiv „Markt-“ schwächer machen sollte, daß die soziale Politik des Staates die individuelle Motivierung schwächen soll, daß die Selbsverantwortung jedes Einzelnen die Fürsorge des Staates ersetzen soll. All das ist aber passiert, und der reichliche „Wohlstandsstaat“ hat sich in Westeuropa in dem letzten halben Jahrhundert fest angesiedelt. Immerhin, das erwartete „Paradies auf der Erde“ hat sich nicht eingestellt, statt dessen sind hohe Arbeitslosigkeit, Motivierungverlust, Senkung der Konkurrenzfähigkeit, hohe Steuern, usw. gekommen. Vom „Wohlstandsstaat“ abzutreten, hat sich als unheimlich schwierig gezeigt. Die Vision und der Begriff „der sozialen Marktwirtschaft“ selbst ist karikiert und woanders gewendet worden, als Erhard ursprünglich beabsichtigt hat. Nicht umsonst hat Erhard, der diese Entwicklung geahnt hat, vorausgesehen, daß „dieser Aufkleber auf Flaschen geklebt werden wird, die einen komplett anderen Inhalt haben“.

Erhards Gedankenerbe ist auch für die ehemaligen sozialistischen Länder Mittel- und Osteuropas aktuell. Die Bevölkerung dieser Länder hat lange Jahrzehnte in einem System erlebt, das sie mit sozialen Sicherheiten und Staatspaternalismus überschüttet hat. Die Menschen in diesen Ländern gewöhnen sich nur mit Schwierigkeiten an das System, in dem die menschliche Existenz primär auf der eigenen Verantwortung und Iniziative beruht, und viele sehnen sich nach den alten „Sicherheiten“. Diese Saite schlagen heute die linksorientierten (die sozial-demokratischen und die post-kommunistischen) Politiker an, die Restaurierung der „sozialen Sicherheiten“ versprechen und nicht davor zögern, den Erhards Begriff der „sozialen Marktwirtschaft“ zu mißbrauchen. Wir, also diejenigen, die den Sinn und Vermächtnis Erhards Konzeption der „sozialen Marktwirtschaft“ begriffen haben, verwenden diesen Begriff in unseren politischen Programmen nicht.

Es gibt noch einen - spezifisch tschechischen - Grund, warum wir schon am Anfang unserer ökonomischen Transformation begonnen haben, statt Begriff „soziale Marktwirtschaft“ den Begriff „Marktwirtschaft ohne Adjektive“ zu prägen. Zur Zeit des Prager Frühlings 1968 ist bei uns die Vision irgendeines „Marktsozialismus“ oder des so genannten „dritten Weges“ (zwischen Kapitalismus und Sozialismus) sehr populär geworden. Wie auch immer, diese Konzeptionen sind heutzutage schon überwunden, Erhards Begriff der „sozialen Marktwirtschaft“ erweckt leider bei uns, in unserem Kontext, den Eindruck einer bestimmten Ähnlichkeit mit ihnen (obwohl er damit nichts Gemeinsames hat). In der Wirklichkeit ist unsere wirtschaftliche und soziale Politik sehr zu der ähnlich, die Ludwig Erhard durchgeführt hat. Und so wie er sind wir uns auch dessen bewußt, daß die „soziale Marktwirtschaft“ die Konkurrenz und die Konkurrenzfähigkeit nicht unterdrücken darf, daß sie nicht zu einer hohen Arbeitslosigkeit führen darf, und daß sie deswegen keine solchen Systeme der sozialen Versicherung bilden kann, die demotivierend wären, die sich in der Zukunft als nichtfinanzierbar zeigen würden, und die für die künftigen Generationen eine unerträgliche Last darstellen würden.

Václav Klaus, 17. Januar 1997

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