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Tschechen und Slowaken: Die sanfte Trennung

Deutsche Seiten, 13. 1. 2003

Am 1. Januar 2003 begeht die Tschechische Republik ihren 10. Gründungstag. Und es wird höchste Zeit, über die Hintergründe reinen Wein einzuschenken.
Vor zehn Jahren haben wir diesen Moment nicht mit großem Jubel begrüßt, weil die Geburt des neuen Staates zugleich das Ende des ursprünglichen bedeutete. Darüber freuten sich die wenigsten. Wir identifizierten uns mit der Tschechoslowakei und meinten, dass die Slowaken über den gemeinsamen Staat ebenso denken wie wir. An die Möglichkeit einer Trennung glaubten wir nicht.

Auch heute, mit dem Abstand von zehn Jahren, werden keine Jubel-Artikel geschrieben. Vielmehr wird mit Nostalgie über den Untergang des gemeinsamen Staates meditiert und über das „Was-wäre-wenn“ diskutiert. Es scheint sogar, dass die vergangenen zehn Jahre das Verständnis für die Realität der damaligen Zeit, für die tatsächlichen Ereignisse, Personen und Probleme vollends überdecken. Können doch heute ohne Scham Dreistigkeiten verbreitet werden wie beispielsweise, dass Václav Klaus (damaliger Premier der Tschechischen Republik) und Vladimír Mečiar (damaliger Premier der Slowakischen Republik) die Tschechoslowakei aufgeteilt hätten.
Die wenigsten sind bereit einzugestehen, dass diese beiden, - damals frischgebackenen - Premierminister der nationalen Regierungen die letzten waren, die an die Flammen kamen, die schon zwei Jahre am gemeinsamen Staat fraßen. Wir hatten dieses Feuer nicht gelegt und es auch nicht angefacht. Wir wurden vor die Aufgabe gestellt, was mit der zerfallenden Föderation, mit dem wachsenden Nationalismus und den an Intensität zunehmenden Antipathien auf beiden Seiten geschehen sollte.

Und vor allem mit dem eindeutigen Anliegen der Slowaken, zum ersten Mal in der Geschichte die volle nationale und staatliche Souveränität zu erlangen.
Der Zerfall der Tschechoslowakei kam nicht über Nacht und unerwartet. Gestehen wir uns doch ein, dass die tschecho-slowakische Verbindung in einem Staat nicht problemlos war, und das von Anfang an. Die tschechische Seite brauchte die Slowaken als Teil des „tschechoslowakischen“ Volkes gegen die Opposition der Sudetendeutschen. Der slowakischen Seite ermöglichte der gemeinsame Staat, sich einer brutalen Magyarisierung zu entziehen. Zufrieden waren die Slowaken in dem neuen Staat trotzdem nie.

Das tschecho-slowakische Verhältnis überlebte nicht eine der Krisen des 20. Jahrhunderts. Beide Völker bezogen äußerst selten übereinstimmende politische Positionen - sei es nun bei der Vernichtung der Tschechoslowakei durch Hitler, während des Zweiten Weltkriegs, beim Machtantritt der Kommunisten, später im Jahr 1968 oder nach 1989. In jeder Krise suchten die Slowaken ihre Position im gemeinsamen Staat zu stärken oder nutzten diese, um die Unabhängigkeit zu erlangen. Andererseits ging mit der Abschiebung der Sudetendeutschen auch das Grundmotiv verloren, welches die Tschechen bei der tschechoslowakische Idee leitete.

Der Zusammenbruch des Kommunismus hatte politische, wirtschaftliche und psychologische Erschütterungen zur Folge. Die Zeit der sozialistischen Schein-Sicherheiten endete. Arbeitslosigkeit, Existenzangst, der Zerfall und Untergang zahlreicher Betriebe - das war die andere Seite der neuen Demokratie. Die Folgen der notwendigen Änderungen waren für die wirtschaflich schwächere Slowakei schwerwiegender. Die erneuerten Bürgerfreiheiten ermöglichten es, die Geschichte zu enttabuisieren, und öffneten zugleich den Raum für einen freien politischen Wettbewerb. Und das nicht nur für die Verfechter des gemeinsamen Staates und der tschechoslowakischen Gemeinsamkeit. Im slowakischen demokratischen politischen Spektrum nahmen jene Kräfte eine bedeutende Stellung ein, die offen an das Erbe des slowakischen klerikalen politischen Autonomismus und Separatismus der Vorkriegszeit anknüpften.

Auch auf tschechischer Seite kam es - als Reaktion auf die sich steigernden slowakischen Forderungen -zu nationalistischen Reaktionen. Einige Parteien und Politiker bauten darauf sogar ihr Renommee. Für die weitere Entwicklung war schließlich ausschlaggebend, dass diese Gefahr von Präsident Václav Havel und seiner Umgebung unterschätzt wurde. Das zeigte sich beispielsweise in der naiven Entscheidung, die Rüstungsproduktion im Staat zu liquidieren. Für einige Regionen in der Slowakei hatte das katastrophale Folgen. Ebenso naiv war die Initiierung eines offenen tschecho-slowakischen Streits über die Bezeichnung des Staates sowie über die Staatssymbole. Das ihrige steuerten dann noch einige selbsternannte Experten für die slowakische Frage bei, zu denen der damalige tschechische Premier Petr Pithart gehörte.
So wollte er mit seinem slowakischen Gegenüber eine Übereinkunft erzielen - womit er aber faktisch die föderativen Organe ins Aus stellte. Dem Präsidenten und seinen Anhängern, die zur Beseitigung des damals populären slowakischen Premiers Mečiar beigetragen hatten, gelang es, aus dem bis zu diesem Zeitpunkt ein- deutigen Befürworter der Föderation deren entschiedenen Gegner zu machen und damit den Kampf gegen den Bund zum wichtigsten politischen Thema in der Slowakei zu stilisieren.

Die einzige tschechische politische Partei, die nicht an den tschecho-slowakischen Positionskämpfen teilnahm, war die Bürgerlich-Demokratische Partei ODS. Als einzige hatte sie sich entschieden, für den gemeinsamem Staat zu kämpfen.Deshalb bemühte sie sich darum, in der Slowakei ein politisches Mandat für den Erhalt des gemeinsamen Staates zu bekommen.

Die Juni-Wahlen von 1992 brachten auf beiden Seiten den wichtigsten Protagonisten des sich über zwei Jahre ziehenden tschecho-slowakischen staatsrechtlichen Konflikts eine vernichtende Niederlage. Das Erbe, das sie hinterließen, war traurig: eine funktionslose, von den Slowaken abgelehnte Föderation, eine zerstrittene politische Szene und wachsendes Misstrauen sowie steigernder Nationalismus in der Gesellschaft. Die Gegner der Föderation in der Slowakei unter Führung von Vladimír Mečiar gewannen in den Wahlen das entscheidende Mandat und waren entschlossen, dieses zu nutzen. Die Bürgerlich-Demokratische Partei, die im tschechischen Landesteil die Wahlen gewonnen hatte, stand vor der komplizierten Aufgabe, den gemeinsamen Staat wenigstens in seinen elementaren Funktionen zu erhalten und eine mögliche „jugoslawische“ Variante zu verhindern. Hinzu kam, dass sich die Gesellschaft in einer beispiellosen Transformationsphase befand und jegliches Lahmlegen der Regierungsebene ernsthafte Folgen haben konnte.

Die Verhandlungen der politischen Repräsentanten zeigten, dass die Slowakei entschlossen war, zum ersten Mal in der Geschichte die volle Souveränität zu erlangen. Die Frage lautete lediglich: Sollte dies schrittweise oder sofort erfolgen? Für die folgende Entwicklung und die künftige Gestaltung der Beziehungen zwischen beiden Völkern war wichtig, dass die tschechische Seite diesen Wunsch akzeptierte und bereit war zu kooperieren, damit die slowakischen Anliegen erfüllt werden konnten - mit möglichst wenig Problemen und Schäden für beide Seiten. Dadurch wurde die Phase der Unsicherheiten und unendlichen, nicht weiterführenden Verhandlungen maximal verkürzt.

Dieses Problem hätte auch kein Referendum lösen können. Denn in der Slowakei lehnten alle politischen Kräfte und die Öffentlichkeit die bisherige Ordnung ab. Eine Antwort darauf, wie eine beiderseits akzeptable und zugleich funktionstüchtige Verbindung eines anderen Typs hätte aussehen sollen, kann keine der Öffentlichkeit gestellte Frage geben. Die Trennung des Staates war unausweichlich und die spätere Entwicklung gab uns Recht. Die Beziehungen zwischen Tschechen und Slowaken, und nicht nur die politischen, sind ohne Probleme.

Für die Welt wurden wir zu einem Beispiel, wie man seine Probleme durch Verhandlungen im Konsens lösen kann. Dass wir die Klippen der Transformation erfolgreich umschiffen konnten, dass wir ein respektierter und relativ wohlhabender demokratischer Staat sind, haben wir zu einem Großteil der „samtenen Scheidung“ zu verdanken, an die wir uns nicht so gern erinnern. 

Der Autor war von 1992 bis 1997 Premierminister der Tschechischen Republik und von tschechischer Seite maßgeblich an den Verhandlungen bei der Trennung beteiligt.

Von Václav Klaus, Prager Zeitung, Dezember 2002

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